Beten in Zeiten der Gefahr (2)

Brief Dietrich Bonhoeffers vom 14.April 1943 an seine Eltern Karl und Paula Bonhoeffer


 

Seit zehn Tagen befindet sich Dietrich Bonhoeffer nun im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis in Berlin-Tegel. Am 13.Januar hatte er sich mit Maria von Wedemeyer verlobt. Vor 14 Tagen hat die Familie den 75. Geburtstag von Karl Bonhoeffer miteinander gefeiert. In seinem ersten Brief an seine Eltern – er darf zunächst nur alle zehn Tage ein einseitiges Schreiben verfassen - erinnert sich Dietrich Bonhoeffer: „Es war ein schöner Tag. Der Morgen- und Abendchoral mit den vielen Stimmen und Instrumenten klingt noch in mir nach: `Lobe den Herrn, den mächtigen König … in wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet.´ So ist es, und darauf wollen wir uns weiter getrost verlassen.“  

Das gemeinsame Leben der Familie und des Freundeskreises hat eine abrupte Wendung genommen. An diesem Tag, dem 5.April 1943, wurde auch seine Schwester Christine mit ihrem Mann Hans von Dohnany und weiteren Bekannten verhaftet. Sie stehen unter dem Verdacht des Hochverrats. Aber noch lange sollte ihnen nichts nachgewiesen werden können.

Mit seinem ersten Brief will Dietrich Bonhoeffer seine Familie beruhigen, und wohl auch sich selbst: „Vor allem müsst ihr wissen und auch wirklich glauben, dass es mir gut geht.“  Nicht einmal das Rauchen würde er vermissen, die Entbehrungen, die „man sich gewöhnlich bei einer Haft als besonders unangenehm vorstellt, …, das spielt merkwürdigerweise tatsächlich fast keine Rolle.“

Dass aus zehn Tagen einmal 24 Monate Haft werden sollten und mit dem vollstreckten Todesurteil enden würde, das konnte Dietrich Bonhoeffer und seine Familie nicht ahnen.

Dietrich Bonhoeffer rechnet immer wieder mit seiner baldigen Freilassung. Er stellt sich auf eine begrenzte Zeit ein. In den ersten Tagen seiner Gefangenschaft greift Dietrich Bonhoeffer auf das zurück, was ihm besonders vertraut und lieb und wert geworden ist. Er versucht seinen gewohnten Alltag einigermaßen aufrechtzuerhalten und die Zeit sinnvoll zu nutzen. So lässt er sich auch der Gefangenenbibliothek einige Bücher bringen und plant etwas zu schreiben.

Erstaunlicherweise klingen in diesem ersten kurzen Schreiben viele Motive an, die sich in weiteren Briefen fortführen und verdichten: Die Trennung und die Sorge um die Familie, seine Verlobte Maria und Freunde, sowie um seinen engsten Vertrauten Eberhard Bethge; die Bedeutung der Musik und bestimmter Kirchenlieder; natürlich die Bibel, die (theologische) Arbeit, der Umgang mit dem Verzicht und dem fremdbestimmten Alltag; die Ungewissheit; die Hoffnung und das Vertrauen in Gottes Führung; das Warten; die genaue Wahrnehmung seiner selbst und der unmittelbaren Umwelt und nicht zuletzt die Dankbarkeit, trotz aller Einschränkungen und bleibender Lebensgefahr. Die Gefangenen sind den häufiger werdenden Bombenangriffen noch schutzloser ausgeliefert als die übrige Bevölkerung.  

Mit Worten des Gedenkens und der Dankbarkeit beschließt Dietrich Bonhoeffer seinen ersten Brief aus der Zelle 92 im obersten Stock des Gefängnisses: „Nun kommt ja der Frühling mit Macht. Ihr werdet viel im Garten arbeiten; bei Renate (Nichte Bonhoeffers) gehen hoffentlich die Hochzeitsvorbereitungen gut voran. Hier im Gefängnis singt morgens und auch jetzt abends eine Singdrossel ganz wunderbar. Man wird für Geringes dankbar, auch das ist wohl ein Gewinn! Lebt wohl! Es denkt an Euch und an alle Geschwister und Freund in Dankbarkeit und Liebe immer Euer Dietrich.“

 

Möchten Sie sich mit mir austauschen oder haben Anregungen? Dann senden Sie mir gerne eine Mail.

 

Ihr Pfarrer Thomas Brandl


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