13. - 17. Juni 2021

Sonntag, 13. Juni 2021

Müßiggang ist aller Laster Anfang, schärft uns das Sprichwort ein. Die Trägheit zählt in der katholischen Tradition zu den sieben Todsünden. Die Hände so einfach in den Schoß zu legen, hat aber auch im evangelischen Ethos keine Lobby.

Den Feiertag heiligen, so kurz (oder verkürzt) gibt Martin Luther in seinem kleinen Katechismus das dritte Gebot (nach evangelischer Zählung) wieder.

Im biblischen Original lautet es so (zitiert nach der Basisbibel): Du sollst an den Sabbat denken! Es soll ein heiliger Tag sein! Sechs Tage in der Woche darfst du jede Arbeit tun. Aber der siebte Tag ist ein Ruhetag. Er gehört dem HERRN, deinem Gott. An diesem Tag darfst du keine Arbeit tun: weder du selbst noch dein Sohn oder deine Tochter, dein Sklave oder deine Sklavin, auch nicht dein Vieh oder der Fremde in deiner Stadt. Denn in sechs Tagen hat der HERR den Himmel, die Erde und das Meer gemacht – mit allem, was dort lebt. Aber am siebten Tag ruhte er. Deswegen hat der HERR den Ruhetag gesegnet und ihn zu einem heiligen Tag gemacht.

Die lutherische Auslegung hat sich diese Tradition nicht zu eigen gemacht. Martin Luther kann nicht als „Kronzeuge“ für einen arbeitsfreien Sonntag in Anspruch genommen werden. Die Sonntagsruhe ist inzwischen staatlich geschützt, droht aber durch unzählige Ausnahmen schleichend ausgehöhlt zu werden.

Warum nehmen wir dieses Gebot der Ruhe so wenig ernst? Weil es so radikal quer liegt zu unseren sonstigen gesellschaftlichen Werten? Weil wir die Ruhe/ den Frieden (siehe Lockdown) nur schwer ertragen? Weil wir uns selbst nicht aushalten? etc., etc. …

Das Gebot der Ruhe (am Sabbat oder am Sonntag) dürfte, wenn man die Konsequenzen genau bedenkt, wohl eine der größten Provokationen Gottes an uns sein. Wahrscheinlich lesen das Gebot deswegen lieber in Luthers Kurzfassung. Die tut nicht weh!


Montag, 14. Juni 2021


Das steht in keinem Heiligen- und Namenkalender: Unter Papst Paul VI. wurde durch einen Erlass am 14. Juni 1966 der Index librorum prohibitorum außer Kraft gesetzt.
So stehts geschrieben bei wikipedia und wird wie folgt erklärt: „Der Index librorum prohibitorum („Verzeichnis der verbotenen Bücher“, kurz auch Index Romanus, „römischer Index“, genannt) war ein Verzeichnis der römischen Inquisition, das für jeden Katholiken die Bücher auflistete, deren Lektüre als schwere Sünde galt; bei manchen dieser Bücher war als kirchliche Strafe die Exkommunikation vorgesehen. Erstmals erschien das Verzeichnis 1559, seine letzte amtliche Ausgabe datiert von 1948 mit Nachträgen bis 1962 und nannte zuletzt 6000 Bücher.“
Das ist das grundsätzliche Dilemma eines jeden positiven (Glaubens-)Bekenntnisses: Es definiert unausgesprochen, was nicht geglaubt werden darf und wogegen es formuliert wurde.
Es war wohl kein Zufall, das mit der Formulierung des Bekenntnisses auf der ersten Synode von Nicäa 325 zum ersten Mal Schriften verbrannt wurden, nämlich die es dort verurteilten Arius. Der Initiator der Synode – auch kein Zufall - war Kaiser Konstantin, der wünschte das sich „die Kirchen“, die damals noch nicht so einheitlich organisiert gewesen sind, auf ein einheitliches für alle verbindliches Bekenntnis einigten.  
Es hat im Grunde (auch) die Funktion, andere Meinungen und Anschauungen auszuschließen. Es führt in der Konsequenz zu Tabus und Verboten, die schließlich nicht nur Bücher, sondern vor allem konkrete Menschen betreffen. Im schlimmsten Fall werden dann nicht nur Bücher verbrannt, sondern gleich diejenigen, die sie verfasst haben.
„Der“ Index im Vatikan wurde abgeschafft, aber wie viele existieren noch, auch in unseren Köpfen?


Dienstag, 15. Juni 2021

Jetzt habe ich am Sonntag doch einen Menschen übersehen, der für mich in meinen jungen Jahren sehr wichtig geworden ist. Ich habe ihn nicht persönlich gekannt, denn er ist – als ich drei Jahre alt war – am 13.Juni 1965 im Alter von 87 Jahren in Jerusalem verstorben: Martin Buber.

Heute wird er allgemein als jüdischer Religionsphilosoph bezeichnet, was aber die ungeheure Vielfalt seines Wirkens und seines Werkes unzulässig vereinfacht. Ich würde sagen: Martin Buber ist auf keinen Nenner zu bringen. Ich weiß nicht mehr, wann ich seinen Namen das erste Mal hörte und wodurch ich auf seine Bücher aufmerksam wurde. Sie eröffneten mir auf jeden Fall eine neue, unbekannte Welt.

„Die Erzählungen der Chassidim“ faszinierten mich. Zum einen durch ihre Fremdheit, zum anderen zeigten sie mir eine andere Art und Weise seinen Glauben in der Welt zu leben. Diese Einsicht wurde mir .dem verkopften Gymnasiasten - wichtig, dass Glaube mehr als ein bloßes Für-Wahr-Halten eines bestimmten Glaubensbekenntnisses oder Nachdenken über Gott sein kann. Begeisterung und Hingabe waren neue Vokabeln die ich lernte, und vor allem, dass man Gott im öden, tristen, manchmal auch verzweifelten Alltag erfahren kann.

Dazu kam dann durch die Lektüre der Übersetzung des „Alten Testaments“, der jüdischen Bibel, durch Franz Rosenzweig und Martin Buber die Entdeckung eines neuen biblischen Tons. Der steckengebliebene Versuch die Bibel von vorne bis hinten durchzulesen, bekam neue Motivation. Hier fand ich einen Zugang zu den Psalmen, die mir bis heute unverzichtbare Begleiter auf meinem Lebensweg geblieben sind. In gewisser Weise hat mir diese bis dato unbekannte Sprache das Staunen gelernt. Und das Hinhören auf den Klang der Gottesrede.

Schließlich machte ich in der Ausbildung zum Heilerziehungspflegehelfer die überraschende Erfahrung, dass der Lehrer des Fachs Heilpädagogik ganz grundsätzlich auf Martin Bubers „Lehre“ vom dialogischen Prinzip Bezug nahm. Bis heute fühle ich mich Martin Buber dankbar verbunden!


Mittwoch, 16. Juni 2021

Der Text des bekannten adventlichen Liedes „Es kommt ein Schiff geladen“ (EG 8) wurde ihm lange Zeit Johannes Tauler zugeschrieben. Heute gilt es als von ihm inspiriert. Er war Mönch und Prediger des dominikanischen Ordens und gilt als Mystiker. Einer der drei Großen des Hochmittelalters : Meister Eckhart, Heinrich Seuse und eben Johannes Tauler.

Sie wirkten Ende des 13. bzw. Anfang des 14.Jahrhunderts. Meister Eckhart, der älteste der Drei, wird heute noch rege gelesen und als „Meister“ akzeptiert, auch in Kreisen, die den Kirchen und dem christlichen Glauben ferner oder ablehnend gegenüberstehen.

Johannes Tauler wurde im Hochmittelalter hochgeschätzt. Die Abschriften seiner Predigten waren weiter verbreitet, als die des Meister Eckhart, wahrscheinlich weil von Letzterem einige Sätze als häretisch verurteilt worden waren.

Es ist umstritten, welchen Einfluss seine Ansichten auf den jungen Reformator Martin Luther hatten. Dessen positiven Bemerkungen zum Werk des dominikanischen Predigers sorgten für dessen Hochschätzung in evangelischen, vor allem pietistischen, Gemeinden bis ins 19. Jahrhundert. Heutzutage dürfte er kaum noch gelesen werden.

Im Studium habe ich solche mystische Schriften gelesen, sogar eine Seminararbeit über Meister Eckhart verfasst. Doch einen wirklichen Zugang konnte ich zu keinen der „Großen“ finden. Vielleicht weil es eine wissenschaftliche und keine erfahrungsbezogene Annäherung gewesen ist. Ja, wahrscheinlich deswegen. Nennt sich Meister Eckhart selbst nicht „Lebemeister“ statt „Lesemeister“?

Johannes Tauler ist am 16.Juni 1361 in Straßburg gestorben.


Donnerstag, 17. Juni 2021

Ich sitze im Garten und genieße die Abendsonne. Ich habe Feierabend. Naja, fast. Ich möchte ja noch diese Tagebuchzeilen schreiben. Die Abendglocken, die ich hier in diesem Stadtteil nur dann hören kann, wenn der Verkehr einmal nicht so dicht ist, hatten schon geläutet. Um 18 oder 19 Uhr, das ist von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich geregelt. Später um 21 Uhr werden sie die „Nachtruhe“ einläuten. Wenn der Fernseher nicht läuft und die Schallschutzfenster nicht geschlossen sind, könnte man auch diesem Läuten lauschen.

Den gemeinsamen Lebensrhythmus den das Glockenläuten seinen sinnfälligen Rahmen gab, gibt es nicht mehr. Wie viele Menschen falten noch die Hände, wenn sie die Glocken hören und sprechen dabei ein Vaterunser, das Friedensgebet oder das Angelusgebet? Ein paar Augenblicke zum Innehalten nur. Schon zuviel?

Auch mein eigener Feierabend hat ein uneinheitliches Gesicht. Er beginnt beinahe an jedem Abend zu einer anderen Zeit, manchmal erst spät in der Nacht. Da ist es schwer dem Abend „ein Gesicht zu geben“, ein festes religiöses Ritual zu pflegen. Eines von dem ich weiß, dass es auch andere Christen pflegen, so wie z.B. am Morgen das Lesen der Losungen. Wenn ich nach der Anzahl der verkauften kleinen Büchlein gehe, sind das mehrere Millionen Menschen in Deutschland! Das verbindet!

Aber was machen alle am Abend? Die Losung noch mal lesen? Oder bleibt dafür gar keine Zeit? Noch weniger als am gedrängten Morgen?

Duschen, essen, Hausaufgaben kontrollieren, Kinder ins Bett bringen, vor dem TV-Hausaltar Platz nehmen? War´s das schon? Vielleicht reicht die Aufmerksamkeit noch für ein kurzes „Gute-Nacht-Gebet? Zum Beispiel für Luthers Abendsegen oder Dietrich Bonhoeffers Abendgebet? Beide zu finden im Gesangbuch unter der Nummer 843. Aber dann wird es Zeit zum Schlafen. Morgen geht’s schließlich früh raus und gleich wieder richtig los!


Kommentare: 1
  • #1

    Sofie Osterkamp (Freitag, 18 Juni 2021 13:37)

    Darf ich ehrlich sein ---- irgend etwas hat mir gefehlt. Nicht wegen Corona; ich hatte viele überraschende Gespräche. Mein größter Dank ist, dass in unserer Gemeinde keine Gottesdienste "ausgefallen" sind. Ich war aber gespannt, wie Sie "weitermachen" nach den Bonhoeffer Briefen. Den Entschluß das Kirchenjahr etwas näher zu beleuchten finde ich außerordentlich spannend. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen in welcher Gedenktage - Festtage - zum Alltag gehörten und auch heute noch für mich Bestand haben. Viele hasten von einem Tag zum andern.
    Durch Ihre Ausführungen (die ich sicher mehrmals immer wieder lese) kommen viele Erinnerungen neu dazu. Es ist interessant manche Tage näher zu betrachten um dann ganz neue Eindrücke und Antworten zu finden. Der "Alltag" wird spannend; was wird morgen sein?