9. - 15. Juli 2021

Freitag, 09. Juli 2021

Über das Leben des „schlesischen Boten“ sollte endlich mal jemand eine vernünftige Biographie verfassen. Über ihn wüsste ich gerne mehr als aus den knappen Abschnitten der Lexika und Handbücher zu erfahren ist. Johannes Scheffler, so lautet der bürgerliche Name von Angelus Silesius, der als Sohn eines polnischen Adligen 1624 in Breslau geboren wurde. Hierhin musste die aus Krakau stammende Familie wegen ihres evangelischen Glaubens zwangsweise umziehen.

Der junge Mann studierte Medizin. Er wurde von dem Mystiker und Theosophen Abraham von Frankenberg auf Jakob Böhmes mystische Schriften hingewiesen. Sie sollten auf lange Frist seinem Leben eine andere Richtung geben. Zunächst arbeitete er als Leibarzt eines streng lutherischen Herzogs, bis 1653 öffentlich zur römisch-katholischen Kirche bekannte.

Dieser Religionswechsel provozierte scharfe Kritik von evangelischer Seite, weswegen Angelus Silesius, so nannte er sich nun, eine Verteidigungsschrift verfasste. Er warf den Lutheranern vor allem die „freventliche Verwerfung“ der Mystik vor, deren kostbare Einsichten in der evangelischen Kirche nur von wenigen Außenseitern bewahrt und weitergegeben wurden. Angelus Silesius, entwickelte sich jedoch zum vehementen Gegner lutherischen Gedankenguts.

Auf der anderen Seite verfasste er seine bald berühmten Epigramme, die unter dem Titel „Cherubinischer Wandersmann“ erschienen. Sie erfreuen sich bis heute konfessionsübergreifender Wertschätzung, nicht nur in „mystischen Kreisen“. So bezieht sich z.B. Konstantin Wecker mit dem Titellied seines Albums „Ohne Warum“ auf den Vierzeiler „Die Rose ist ohne warum“, der wiederum einen Kerngedanken Meister Eckharts in poetische Form fasst. In ihrem Buch „Mystik und Widerstand“ greift die evangelische Theologien Dorothee Sölle mehrfach die oft paradoxen Kurztexte des schlesischen Mystikers auf, In manchem sind sie vergleichbar den Koans der buddhistischen Meister.

https://wecker.de/de/weckers-welt/start_entries/220/item/569-Sunder-warumbe.html

 

 

Samstag, 10. Juli 2021

Wir orientieren uns heute ganz selbstverständlich (und gedankenlos?) am gregorianischen Kalender, der weltweit im Gebrauch ist, aber bei weitem nicht das einzige System darstellt, die Zeit einzuteilen und ihr einen gesellschaftlichen und religiösen Rahmen bzw. einen inhaltlichen Sinn zu geben. Zeit bedeutet immer auch gemeinsame Zeit. Sie ist ein gesellschaftliches Phänomen.

Bis 1582 war in der westlichen Welt der julianische Kalender im Gebrauch, der 45 v. Chr, von Julius Cäsar im römischen Reich eingeführt wurde. Eine Reform, die von Papst Gregor XIII durchgesetzt wurde, wurde notwendig: „Grund für die gregorianische Kalenderreform war nicht allein das im Vergleich zum Sonnenjahr zu lange julianische Kalenderjahr, sondern auch die zunehmende falsche Datierung des christlichen Osterfestes. Der julianische Kalender hinkte dem Jahreslauf der Sonne im 16. Jahrhundert, im Verhältnis zum 4. Jahrhundert, bereits um zehn Tage nach. Der nötige, in einem Stück angeordnete Ausfall von zehn Kalendertagen sorgte für allgemeine Irritation und führte auch innerhalb der katholischen Kirche zur zögerlichen Annahme des gregorianischen Kalenders. Die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen verzögerten die Annahme aus ideologischen Gründen, weil die Reform vom Papst ausgegangen war.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Gregorianischer_Kalender#%C3%9Cbernahme_des_gregorianischen_Kalenders

Ein Kalender kann zum Politikum werden, bzw. ist es noch immer. Die kolonialistische Expansion der westlichen Staaten (und Kirchen) verdrängte weitgehend die regionalen Kalendersysteme. Manche Menschen stört die Orientierung an der (vorherrschenden) christlichen Tradition. Sowohl die französische, wie auch die sowjetische Revolution versuchte ein eigenes Kalendersystem zu etablieren, was aber jeweils scheiterte. Eine Übersicht über die erstaunliche Vielfalt teilweise noch gebräuchlicher Kalendersysteme findet sich hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kalendersysteme

Der heutige Tag im jüdischen Kalender ist 3. Aw des Jahres 5781. Nach islamischer Zeitrechnung der 2. Dhū l-Hiddscha 1442.

 


Sonntag, 11. Juli 2021

In den benediktinischen Klöstern wird bereits am 21. März, dem Todestag von Benedikt von Nursia im Jahr 547, dem Gründer des Ordens mit einem Hochfest gedacht. Der offizielle liturgische Kalender sieht es – seit 1970 - für den heutigen Tag vor.

Im Kloster Königsmünster bei Meschede durfte ich dieses Fest mitfeiern, nachdem ich von einer dortigen Reisegruppe, die vorher das ehemalige Kloster in Münchsteinach besuchte, dazu eingeladen wurde. Ich war dort Pfarrer und führte die Gruppe durch das Münster, das 1525 evangelisch (um-)geweiht wurde.  An diesem Abend erlebte ich zum ersten Mal die Feier der Vesper, den Wechselgesang der Psalmen, so wie er bis heute in den benediktinischen Klöstern gepflegt wird. Von Abt Stefan Schröer, einem Freund des Sängers der Toten Hosen, bekam ich die Weltgeschichte machende Regel geschenkt.

Im heutigen Abschnitt von „Te deum“ wird sie so charakterisiert: „Leitthemen der Regula Benedicti sind die Grundhaltung des Hörens, die Tugenden Liebe, Gehorsam, Schweigsamkeit und Demut, der Eifer für den Gottesdienst, die Liebe und der Friede unter den Brüdern, die Sorge um Schwache und Kranke in der Gemeinschaft, aber auch für Gäste, Fremde und Arme, die zum Kloster kommen. Die Spiritualität ist geprägt von einer innigen Christozentrik und dem Sinn sowohl für die einzelne Person wie für die Gemeinschaft.“

In den vielen Jahren konnte ich aus der Regel für die persönliche Gestaltung meines „geistlichen Lebens“, sowie für das Zusammenleben in der Gemeinde viele hilfreiche Anregungen finden. Auch die Ratgeberliteratur, besonders für „Führungskräfte“, bezieht sich gerne auf die Erfahrungen aus dem gemeinsamen Leben im Kloster. Inzwischen findet sich eine reichhaltige weiterführende Literatur zur Regula Benedicti. Zur ersten Begegnung empfehle ich:

- Anselm Grün „Benedikt von Nursia“
- Benedikt für jeden Tag (mit kurzen, sehr prägnanten Kommentaren zu ausgewählten Stellen der Regel)


Montag, 12. Juli 2021

Die zwei Männer, deren wir heute gedenken, passen – trotz des jahrhunderteweiten Abstands – recht gut zusammen. Sie sind, aus meiner Sicht, Menschen, die Verständigung suchen, sich um Einigung bemühen, Vermittlung leisten und Frieden stiften (wollen). In mancher Hinsicht ist ihnen das auch gelungen. Die Rede ist von Erasmus von Rotterdam und Nathan Söderblöm. Letzterer wurde 1930 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Aufmerksam auf Erasmus von Rotterdam wurde ich als Jugendlicher durch die leidenschaftliche Biographie von Stefan Zweig „Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam".

Ende der siebziger Jahre (1979 Nato-Doppelbeschluss) war ich auf der Suche nach glaubwürdigen „Friedensstiftern“. Zu meiner Ernüchterung musste ich feststellen, dass Menschen die aktiv nach vernünftigen und praktikablen Lösungen von (gewaltsamen) Konflikten suchen, sich hoffnungslos in der Minderzahl befinden. Erasmus war mit Schriften wie „Süß ist der Krieg den Unerfahrenen“, die plädierte, friedliche Wege zu beschreiten, eine große Ausnahme.

Er war einer der wenigen, der versuchte die Gegenposition zu verstehen, und ähnlich wie Philipp Melanchthon – das Verbindende, eine gemeinsame Basis für weitere Gespräche herauszuarbeiten. Außerdem war er ein Freund von Thomas Morus (siehe 6.Juli) dessen „Utopia“ mich damals sehr begeisterte.

Nathan Söderblöm ist mir lange unbekannt geblieben. Außer seinem Namen und seiner Herkunft aus Schweden wusste ich nichts über ihn. Er war in der Zwischenkriegszeit einer der wenigen (wieder einmal!), die sich für Verständigung zwischen den christlichen Kirchen einsetzte, nachdem er bereits während des ersten Weltkriegs mit seinen Appellen zur Verständigung nicht gehört wurde. Dann aber gelang es ihm, durch die Organisation zweier Weltkonferenzen 1925 und 1927 die entscheidenden Vorarbeiten zu Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen (erst 1948) zu leisten.  
Dienstag, 13. Juli 2021

Am 13. Juli 1524 hielt der frühere Priester und radikale Anhänger der Reformation Thomas Müntzer im Schloss Allstedt eine Predigt vor dem Kurfürsten Johann von Sachsen und dessen Sohn Johann Friedrich. Diese sogenannte Fürstenpredigt kostete ihm seine Stellung, wie er auch schon in den vorhergehenden Jahren immer wieder in Schwierigkeiten wegen seiner Forderungen kam und fliehen musste.

Schließlich wurde Thomas Müntzer vom Bewunderer Martin Luthers zu dessen Gegner. Während Martin Luther nach Zögern die Fürsten zur Niederschlagung des Aufstands ermutigte, ergriff Thomas Müntzer nicht nur die Partei der rechtlosen Bauern und Leibeigenen, sondern kämpfte auf deren Seite in der Schlacht bei Frankenhausen. Dort wurde er gefangen genommen und nach Folterungen enthauptet.

Friedrich Engels erkannte in seiner Darstellung des Bauernkriegs Thomas Müntzer als einen Anführer einer revolutionären Bauernpartei und prägte damit dessen Wahrnehmung als eines „Helden“ Im Kampf gegen obrigkeitliche Unterdrückung. Die 5-Mark-Banknote der DDR zeigte sein Bild. Im evangelischen Namenkalender wird er nicht aufgeführt. Sein Wirken wird bis heute kontrovers diskutiert.

In seiner Predigt, die sich vor allem auf die Visionen aus dem biblischen Buch des Propheten Daniel bezieht, kritisierte Thomas Müntzer die unwürdigen Lebensumstände eines Großteils der Bevölkerung, sieht sie aber als Gottes auserwähltes Volk. Seine Argumentation ist nicht leicht nachzuvollziehen. Die Fürsten können sich der Bewegung der Auserwählten anschließen und sich so der Sache Gottes verdient machen. Müntzer selbst sieht sich von Gott auserwählt die Menschen zum wahren Glauben zurückzuführen und die Kirche wiederherzustellen.

Schon vor Martin Luther konzipierte Thomas Müntzer einen deutschsprachigen Gottesdienst statt der lateinischen Messe. Er dichtete auch einige Kirchenlieder.

 


Mittwoch, 14. Juli

Vive la France! Vive la Revolution! Unsere französischen Nachbarn feiern heute ihren Nationalfeiertag, den 232. Jahrestag des Sturms auf die Bastille am 14. Juli 1789. Nun schon zum zweiten Mal unter dem Vorzeichen der „neuen Internationale“ des Covid-19-Virus.

Gerade hat Staatspräsident Macron den im Gesundheitswesen Beschäftigten ein Ultimatum gesetzt, sich bis September impfen zu lassen. Im Zuge der Fußballeuropameisterschaft steigen in Europa die Inzidenzwerte erneut. Eine weitere Welle wird befürchtet. Kaum einer wird noch die Nerven (oder finanziellen Mittel) haben den nächsten Lockdown aushalten zu müssen. Die großen Paraden und Feste werden wohl nur im Miniaturformat abgehalten werden können.

Die französische Revolution hat die Welt verändert, auch die religiöse Welt. Der Aufstand der Bevölkerung richtete sich gegen die „herrschende Klasse“, zu der bis dahin ganz selbstverständlich auch „die“ Kirche gehörte. Eine langfristige Folge war die Trennung von Staat und Kirche, die in Deutschland erst 1919 erfolgte und nicht so radikal durchgeführt wurde, wie in Frankreich bis auf den heutigen Tag.

Die Revolutionäre wandten sich energisch gegen ein repressives christliches Wertesystem, das sie gänzlich abzuschaffen versuchten; teilweise mit massiver Gewalt gegen Menschen, wie Kirchen und andere Bauwerke, die für sie die Unterdrückung symbolisierten.

Um den prägenden Einfluss der christlichen Kultur auf den Alltag einzudämmen, wurde der christlichen Kalender mit den Gedenktagen der Heiligen abgeschafft. Ein Revolutionskalender wurde etnworfen, der mit seiner Zehn-Tage-Woche das Ziel hatte, den Sonntag und die etablierten christlichen Feste auszuhebeln. Die Namen der Wochentage und Monate wurden umbenannt, sowie andere Gedenktage eingeführt. 1805, nach 13 Jahren Geltung, ordnete Napoleon I. die Wiedereinführung des gregorianischen Kalenders (siehe 10.Juli) an.
https://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sischer_Revolutionskalender

 

 

Donnerstag, 15. Juli 2021

Obwohl er als der zweite Gründer seines Ordens der Franziskaner gilt, außerdem als „Fürst unter den Mystikern“ gerühmt wird, scheint es über das Organisationsgenie Bonaventura keine ernsthafte Biographie auf Deutsch zu geben. Ebenso nur ein Teil seiner Werke. Er wurde am  1482 durch Sixtus IV. heiliggesprochen und 1588 durch Sixtus V. als Doctor seraphicus zum Kirchenlehrer ernannt.

Allerdings versäumten es schon seine Zeitgenossen eine Beschreibung seines Lebens zu verfassen. Er hingegen schrieb sogar zwei über den Heiligen Franziskus, eine kürzere und eine längere. Die letztere wurde vom Generalkapitel des Ordens zur verbindlichen Biographie erklärt, alle vorhergehenden sollten vernichtet werden. Eine etwas fragwürdige Entscheidung, die vermutlich helfen sollte, die Spaltung des Ordens in einen radikalen und einen gemäßigten Flügel zu überwinden. Als Kardinal spielte Bonaventura kirchenpolitisch eine große Rolle. Er verstarb 1274 während des Konzils, das sich die Wiedervereinigung der römischen und orthodoxen Kirche zum Ziel setzte, was letztendlich scheiterte.

Bonaventura verfasste Kommentare über einige biblische Bücher, wie das Lukas- und das Johannesevangelium. Er setzte aber auch bleibende spirituelle Impulse mit den Werken „Selbstgespräch“, „Der Baum des Lebens“ und „Der dreifache Weg“, aber vor allem mit seinem Hauptwerk „Pilgerbuch der Seele zu Gott“.

„Anlass für dieses Werk war ein Besuch Bonaventuras 1259 auf dem Berg Alverna bei Arezzo. Im Prolog erinnert er an die Stigmatisation des Franziskus auf diesem Berg zwei Jahre vor dessen Tod und zur selben Jahreszeit, nämlich im September bzw. Oktober 1224. Dies inspiriert Bonaventura zu einer theologischen Abhandlung über die Gotteserkenntnis. Die Gesamtheit der Dinge einschließlich der erkennenden Seele wird von ihm mit einer Leiter verglichen, auf welcher der Aufstieg zu Gott erfolgen könne. Dabei setzten die letzten Stufen eine gnadenhafte Formung durch das Licht der ewigen Wahrheit voraus“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Bonaventura#Zweiter_Stifter)


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