16. - 22. Juli 2021

Freitag, 16. Juli 2021

Der 16. Juli ist ein ereignisreicher Tag. Für die Lokalpatrioten ist wichtig zu wissen, dass Nürnberg auf der Sigena-Urkunde zum ersten Mal erwähnt wird. 1228 wird Franz von Assisi heiliggesprochen. 1945 wird die erste Atombombe bei einem Test in New Mexico gezündet. 1951 erscheint der Roman „Der Fänger im Roggen“. 1969 startet Apollo 11 mit dem Ziel zum ersten Mal Menschen auf dem Mond zu bringen. 1985 stirbt Heinrich Böll. Aber das war noch längst nicht alles.
Für Neugierige: https://de.wikipedia.org/wiki/16._Juli

Ein anderes Ereignis prägte die islamische Welt. Mit der Auswanderung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina beginnt die islamische Zeitrechnung. Bereits 17 Jahre danach wird sie vom Kalifen Umar ibn al-Chattab eingeführt. Unser heutiger Tag dieses Kalenders lautet: 6. Dhū l-Hiddscha 1442.

Mir ist, glaube ich, erst im Studium richtig bewusst geworden, dass andere Kulturen und Religionen in anderen Zeitrhythmen leben. Bis dahin wird mir allenfalls der Fastenmonat Ramadan aufgefallen sein. Persönlichen Kontakt zu Menschen, die das vierzigtägige Fasten einhalten, hatte ich bis dahin nicht.

Die Botschaft Mohammeds von dem einen Gott stieß im polytheistischen Mekka überwiegend auf Widerstand. Schon einmal waren seine Anhänger – aufgrund gewaltsamer Übergriffe - gezwungen die Stadt zu verlassen und auszuwandern. Schließlich musste auch Mohammed befürchten einem Anschlag zum Opfer zu fallen,

Nachdem ihm einflussreiche Bürger Medinas Schutz und Aufnahme zugesagt hatten, verließ auch Mohammed mit seinen Vertrauten Mekka, um für die nächsten acht Jahre Yathrib zu verbringen. Die Stadt wurde später Medina, d.h. die Stadt des Propheten genannt. Hier begann die eigentliche Bildung der muslimischen Religion. Hier wurde in diese Zeit auch die wahrscheinlich älteste Moschee erbaut.

 

 

Samstag, 17. Juli 2021

Die Katastrophenmeldungen überschlagen sich, die Schäden werden immer höher beziffert, die Zahl der Todesopfer und Vermissten „nach oben korrigiert“. Noch überwiegen die Schreckensmeldungen. Sie mischen sich mit Überlegungen, ob in den Regenfällen Anzeichen einer kommenden Klimakatastrophe zu erkennen seien.

Daneben hören wir aber auch von vielen Akten der Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit. Bald werden wir von den „Helden und Heldinnen“ erfahren, die in den Augenblicken der Katastrophe ihr Leben für andere riskiert haben. Einige werden sicherlich mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet werden.

Sind Helden auch Heilige? Müssen Heilige auch Helden sein? Eine Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum 2019 stellte sie im Titel in eine Reihe: Helden, Märtyrer, Heilige. Wege ins Paradies

Ich greife – altmodisch - zur Brockhaus Enzyklopädie: „Held: jemand, der sich mit Unerschrockenheit und Mut einer schweren Aufgabe stellt oder eine ungewöhnliche, bewunderungswürdige Tat vollbringt.“ Dagegen: „Heilige, in den Religionen Menschen, die in besonderer Weise, Vorbilder, Lehrer, Bekenner oder Märtyrer des Glaubens sind.“

Manche Heilige hatten sich auch als Helden in Katastrophen bewährt. Spontan fällt mir Papst Gregor I. ein (auch der Große genannt), der sich in Kriegszeiten und Hungersnöten als umsichtiger „Krisenmanager“ bewährte und auf diese Weise unzählige Menschenleben rettete. Als Held wurde er offenbar nicht wahrgenommen. Seine Heiligsprechung erfolgte vermutlich aus anderen Gründen.

Andererseits gab es Heilige, die „nicht viel taten“, außer dass sie „ohne Unterlass“ (1.Thess 5,17) beteten, wie die „kleine“ Theresa von Lisieux. Ihr Gebet hat vermutlich so manchen Menschen den Mut gegeben „Übermenschliches“ zu leisten und ihr Leben für andere einzusetzen.

 

 

Sonntag, 18. Juli 2021

Im Rahmen eines Märtyrergedenkens im Jahr 2000 in Rom würdigte Papst Johannes Paul II. den evangelischen Pfarrer Paul Schneider als Zeugen der Auferstehung Jesu Christi.

Der „Prediger von Buchenwald“ wurde im Mai 1937 ins KZ verlegt, nachdem ihn wiederholte Inhaftierungen nicht davon abhalten konnten auf einer „schriftgemäßen Verkündigung und Ordnung der Kirche“ gerade gegenüber nationalsozialistischen Übergriffen, sowie seitens der Deutschen Christen, zu bestehen.

Im KZ ließ er sich nicht von der Verkündigung des Evangeliums abbringen. So fasst sein Biograph Albrecht Aichelin zusammen: „Paul Schneider versuchte auch in der abgeschotteten KZ-Welt, sein Wächteramt für Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit wahrzunehmen. Er schrie die Namen von Mithäftlingen des Bunkers auf den Appellplatz, deren Folterung und Ermordung er im Namen Christi bezeugte. Er setzte sich auch offen für jüdische Mithäftlinge ein. All das bezahlte Schneider mit grausamen Folterungen und schließlich am 18. Juli 1919 mit seinem Leben.“

Der Begriff des Märtyrers hat in den letzten Jahren, nicht zuletzt durch das brutale Wirken des Islamischen Staates starke Verzerrungen erfahren, die es beinahe unmöglich machen, sachlich über seine Bedeutung nachzudenken und zu sprechen.

Das Wort bedeutet schlicht „Zeuge“ und meinte bislang Menschen, die für ihren Glauben bereit sind zu leiden und nötigenfalls zu sterben. Der Ursprung des christlichen Kalenders dürfte das Bedürfnis gewesen sein, diese Menschen nicht zu vergessen und ihr Gedächtnis lebendig zu erhalten. Sie zeugen aber nicht nur für Leiden und Sterben, sondern vor allem für die Auferstehung und das Leben, für einen Gott der Lebenden und nicht der Toten, dem Schöpfer des Himmels und der Erde.

Karl-Josef Hummel / Christoph Strohm: Zeugen einer besseren Welt

 

 

Montag, 19. Juli 2021

Das Wort Ökumene ist inzwischen im kirchlichen Wortschatz allgemein bekannt geworden. Allerdings mit einer gewissen Engführung auf die Beziehung der Ev.-Luth. Kirche zur Röm.-Kath. Kirche. Ich empfinde es als großen Segen, dass wir auf Gemeindeebene selbstverständlich zusammenarbeiten und miteinander feiern. Auch wenn inzwischen eine gewisse Stagnation eingetreten ist.

Die Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen (AcK) kennen vor allem die „Insider“. Nur wenige dürften wissen, welche Kirchen sich im Nürnberger Raum in dieser Organisation zusammengeschlossen haben, um sich besser kennenzulernen und das ein oder andere Projekt der Verständigung miteinander anzugehen: Äthiopisch-Orthodoxe Kirche, Alt-Katholische Kirche, Anglikanische Episkopalkirche, Apostolische Gemeinschaft, Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde (Baptisten), Evangelisch-Lutherische Kirche, Evangelisch-Methodistische Kirche, Evangelisch-Reformierte Kirche, Griechisch-Orthodoxe Kirche, Römisch-Katholische Kirche, Rumänisch-Orthodoxe Kirche, Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, Serbische Orthodoxe Kirche. Genaueres unter: http://ack-nuernberg.de/stat21/index.html

Kennen Sie alle diese Kirchen? Ich nicht. Ich stelle fest: Der Weg zu einer wirklichen Ökumene („Die Gemeinschaft der Gesamtheit der Christen“) ist noch sehr weit! Noch weiter dürfte der Weg sein, den wir zu einer Ökumene der Religionen zurücklegen müssen. Hans Küng sieht darin eine der Grundbedingungen für weltweiten Frieden.

Muslime feiern heute das Opferfest, von dem ich bisher nur den Namen kannte. Es gilt als das höchste islamische Fest. Ich entdecke, dass dieses Fest auf eine sehr bekannte biblische Geschichte zurückgeht, die wir unter der Überschrift „Die Opferung Isaaks“ (Genesis 22,1-19) kennen. Eine Geschichte, die auch in der jüdischen Tradition eine gewichtige Rolle spielt. Im Koran wird sie in der Sure 37,99–113 erzählt. Es ist nicht die einzige Geschichte, die uns miteinander verbindet. Warum fangen wir nicht an, uns über solche gemeinsamen Überlieferungen zu verständigen?



Dienstag, 20. Juli 2021

Was wäre wenn? Ein Gedankenspiel, das wahrscheinlich jede/r schon öfter für sich durchgeführt hat. Wohl eher für den privaten Bereich. Doch manche befragen ernsthaft geschichtliche Ereignisse: Wie sähe unsere Welt aus, wenn bestimmte historische Ereignisse anders verlaufen wären?

Was wäre aus unserer Welt geworden, wenn Adolf Hitler am 20. Juli 1944 das Attentat, das auf ihn verübt wurde, nicht überlebt hätte?

Eine müßige Frage, so befinden viele, denn im Nachhinein können wir nichts mehr an diesem Verlauf ändern. Aber vielleicht ändert sich bei genauerem Hinsehen unsere Einschätzung dieses Ereignisses? Womöglich würden wir nach solchen Gedankenspielen anders auf aktuelle gesellschaftliche Geschehnisse reagieren? Vielleicht würden wir uns sogar anders verhalten?

Ich finde es interessant, darüber nachzudenken, welche Entwicklung die Evang.-Luth. Kirche in Deutschland genommen hätte, wäre z.B. Dietrich Bonhoeffer am Leben geblieben und über 80 Jahre alt geworden.

Wie könnte unser kirchliches Leben heute aussehen und gestaltet werden, wenn Dietrich Bonhoeffer weiterhin hätte wirken können? Wie hätte er sich mit Martin Buber, Elie Wiesel, Frère Roger Schutz, Karl Barth und Karl Rahner oder Hans Küng verständigt? Welche Impulse hätte er der Ökumene gegeben? Oder für Frieden und Verständigung unter den Staaten und Religionen? Welche Position würde er gegenüber der AfD, Covid-Leugnern und Verschwörungstheoretikern einnehmen?

Natürlich besteht die Gefahr bei diesem Gedankenspiel die eigenen Wünsche, Hoffnungen und Ängste einzutragen. Vielleicht sollten wir aber nicht so vorsichtig Bedenken abwägen, sondern mutiger eingreifen und mitgestalten, so dass wir uns am Ende nicht wieder fragen müssen: Was wäre wenn?

 


Mittwoch, 21. Juli

 

Eine unbekannt Heilige kommt mir unerwartet nah. Da mir die heutigen Namen alle nichts sagten – den Laurentius von Brindisi hätte ich vielleicht kennen sollen – habe ich nachgesehen, wer den geheimnisvollen Namen Stilla getragen haben sollte.
So komme ich, nicht weit von Nürnberg entfernt, nach Abenberg, ein kleines Städtchen bei Roth im fränkischen Seenland. Dort steht heute noch eine kleine Burg, inzwischen der Schauplatz einer beliebten Open-Air-Veranstaltung, dem Feuertanz Festival mit Headlinern wie Schandmaul, Subway To Sally, Fiddler`s Green. Musik mit starken Anklängen an mittelalterlichen Melodien, Themen und Legenden. Musik mit viel Power, die Lust zum Tanzen und Feiern macht.
Die interessante Geschichte des kleinen Städtchens kann hier nachgelesen werden: https://www.abenberg.de/de/tourismus/stadtrundgang/geschichte), Für Frankenfans empfehlenswert: Das Haus der fränkischen Geschichte oben in der Burganlage Im Ortszentrum findet sich auch der Stillaplatz.. Auf der Homepage des Ortes konnte ich aber nichts über die Heilige Stilla finden, außer dass offenbar ein jährliches Stillafest stattfinden soll.
Ja, wer ist denn nun die geheimnisvolle Stilla gewesen? Viel ist nicht über sie zu erfahren, ihre Existenz bleibt sehr vage. Ich zitiere aus dem Ökumenischen Heiligenlexikon: „Stilla - nach der Überlieferung eine Adlige aus dem Geschlecht derer von Abenberg, der Vögte des Hochstiftes in Bamberg - wirkte als Wohltäterin und stiftete 1132 gegenüber der Abenberger Burg die Kirche St. Peter, die Otto von Bamberg 1136 geweiht habe. Vor ihm habe sie mit drei Gefährtinnen das Gelübde der Jungfräulichkeit abgelegt und zusammen mit diesen in Abenberg ein Leben im Gebet und im Dienst an Kranken geführt.“
Ob man die Reliquien Stillas in der Klosterkirche besichtigen möchte oder nicht: Abenberg ist auf jeden Fall einen Ausflug wert.

 


Donnerstag, 22. Juli 2021 (Teil 1)

Manchmal nützt auch die deutsche Übersetzung nichts. Den Text des  Tophits „Maria Magdalena“ der Schlagersängerin Sandra aus dem Jahr 1985 verstehe ich heute noch nicht. Offensichtlich spielt das Lied mit dem Bild der „Sünderin“, dass sich seit Papst Gregor dem Großen über die Jahrhunderte entwickelt hat. Aus der Kombination mit der Erzählung von der Sünderin die Jesus die Füße wäscht (Lk 7,36-50) wird die Jesus-Nachfolgerin Maria aus Magdala zur rothaarigen, verruchten Halbweltdame, die sich durch die Begegnung mit Jesus zur Heiligen wandelt: Die heilige Hure!

Damit wird das biblische Zeugnis von Maria Magdalena teils wissentlich, teils unwissentlich entstellt. Erst in den letzten Jahrzehnten, nicht zuletzt durch das genaue Hinsehen feministischer Theologinnen, wurde ihre Gestalt und Wirken wieder dem biblischen Zeugnis entsprechend dargestellt. Zuletzt hat Papst Franziskus sie den männlichen Aposteln gleichgestellt, indem er ihren Gedenktag zu einem Hochfest umwidmete.

Der Kirchenvater Hippolyt von Rom war da im 3.Jahrhundert schon mutiger. Er nannte sie „Apostelin der Apostel“, ein Titel der den biblischen Berichten am ehesten entspricht. Maria Magdalena wird in den Evangelien übereinstimmend als die erste Zeugin der Auferstehung geschildert. Sie begegnet dem Auferstandenen, der sie anweist den anderen Aposteln, den Jüngerinnen und Jüngern davon zu berichten.

Bis heute regt die Gestalt der Frau aus Magdala am See Genezareth die Phantasie der Künstler*innen jeglicher Schattierung an. Wahrscheinlich wird die Suche nach einem Nachweis, ob sie Jesu Geliebte gewesen ist, nie zu einem Ende gelangen. Schade, dass über solchen durchaus verständlichen Spekulationen ihr tatsächliches Wirken in der Nachfolge Jesu erneut verstellt wird. Maria Magdalena bleibt als „Apostelin der Apostel“ eine Schlüsselgestalt, wie Petrus und Paulus. Wir können ihr Gedächtnis, das lange genug verdrängt wurde, nicht hoch genug schätzen.

Donnerstag, 22. Juli 2021 (Teil 2)

Heute wird ein zweiter Abschnitt notwendig. Giovannino Guareschi ist am 22. Juli 1986 in dem Städtchen Cervia in der Emilia Romagna verstorben. Sein Name wird vielen nichts sagen. Er ist jedoch der Schöpfer zweier unvergesslicher Gestalten: Don Camillo und Peppone.

Es gab kaum etwas, dass ich lieber angesehen habe, als die alten Schwarz-Weiß-Filme mit den Schauspielern Fernandel und Gino Cervi. Der katholische Priester und der kommunistische Bürgermeister, die scheinbar im ewigen Streit miteinander liegen. Und sich doch durch ihr großes Herz miteinander verbunden wissen.

Giovannino Guareschi, der auch eine satirische Wochenzeitschrift herausgab, erzählt von einer Mitmenschlichkeit und Lebensfreude, von Eigensinn und Solidarität, von Gottvertrauen und der Suche nach Gerechtigkeit, ja von einer Liebe zum Leben, von der man kaum glauben möchte, dass sie es sie auf diese Weise tatsächlich gibt.

Zu schön, um wahr zu sein, zweifelt da der Melancholiker. Und doch wieder so realistisch, dass es tatsächlich so gewesen sein hätte können. Und immer wieder so sein könnte. Eine Art Utopie der Menschlichkeit. So sehe ich diese Filme, so lese ich diese Geschichten. Immer wieder. Mir werden sie nicht langweilig.

Angesichts der vielen Heiligen, deren Existenz zweifelsohne erfunden wurde, plädiere ich dafür Don Camillo und Peppone in den Heiligenstand zu erheben. Möglicherweise haben sie sogar Wunder gewirkt!

Nicht wenigen Menschen in der langen Nachkriegszeit und vielleicht noch heute, haben sie den Glauben an die Menschheit wiedergegeben - was nicht wenig ist- und auch den Glauben, an einen Gott, der „menschlich“ mit sich reden lässt. Ein Gott, mit einem großen und weiten Herzen!

Sankt Camillo und Sankt Peppone! Danke!




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