27. August - 1. September 2021

Freitag, 27.August 2021

Seine Stimme habe ich im Laufe meines Lebens immer wieder wahrgenommen. Leider habe ich nicht aufmerksam genug hingehört, denn Dom Helder Camara hatte nicht nur etwas Wichtiges zu sagen, er hatte sich mutig den Herausforderungen seiner Zeit gestellt.

Die Untertitel einiger Bücher über den brasilianischen Bischof Dom Helder Camara, der heute vor 22 Jahren neunzigjährig verstorben ist, sprechen Bände: „Bruder der Armen“, „Der Rebell mit dem Krummstab“, „Stimme der stummen Welt“, „Die Leidenschaft des Friedensstifters“, „Zeichen der Hoffnung und Stein des Anstoßes“, „Der rote Bischof“.

Wahrscheinlich wird der Bischof als „Bruder der Armen“ im Gedächtnis bleiben. Wie kaum ein anderer setzte er sich für die deutliche Verbesserung der Lebensumstände der armen Bevölkerung Brasiliens ein. Er beließ es aber nicht bei caritativen Aktionen, sondern benannte die Ursachen und Verursacher dieser Armut. Dadurch machte er sich viele Feinde, die mehrfach versuchten ihn umbringen zu lassen. So äußerte sich der Bischof selbst: „Wenn ich den Armen Essen gebe, nennen sie mich einen Heiligen. Wenn ich frage, warum sie arm sind, nennen sie mich einen Kommunisten.“

Der Militärputsch und die Diktatur in Brasilien erschwerten den Einsatz Dom Helder Camaras und anderer Vertreter der sogenannten Theologie der Befreiung für die Armen. Zunächst konnte sich der Bischof, der bereits 1964 die ersten Basisgemeinden gründete, noch für gewaltlose Sozial- und Landreformen einsetzen. Nachdem er auf die Praxis der Folter in seinem Land aufmerksam machte, durfte die Presse in Brasilien nicht mehr über ihn berichten. Dennoch verfolgte er weiterhin hartnäckig das Ziel einer Kirche der Armen: „Ich ziehe eine verfolgte Kirche einer Kirche der Kompromisse tausendmal vor.“

Manches scheint sich Papst Franziskus von ihm abgeschaut zu haben: Dom Helder Camara wohnte nicht im Bischofspalast, noch fuhr er mit dem Auto, sondern mit dem Bus. Bis zum Erreichen der Altersgrenze lebte er das Evangelium als Bischof in Recife im armen Nordosten Brasiliens.  

 

 

Samstag, 28.August 2021

Dieses Buch bleibt nach wie vor faszinierend, spannend und gut zu lesen. Es gilt als die älteste Autobiographie und eines der einflussreichsten Bücher der Weltgeschichte: Die Bekenntnisse des Augustinus.

Als er die Geschichte seines Weges und Irrweges zum Glauben an den dreieinigen Gott verfasste, war Augustinus bereits Bischof von Hippo Regius in der römischen Provinz Numidien. Die Stadt, die 698 von Arabern völlig zerstört wurde, lag im Gebiet des heutigen Algerien an der Mündung des Flusses Seybouse.

Als ich das Buch zu Beginn meines Theologiestudiums gelesen hatte, empfand ich es als eine sehr persönliche Schilderung. Was mich damals erstaunte, war die teilweise Geringfügigkeit der Vergehen des Augustinus, die ihn aber offensichtlich erheblich zu belasten schienen und zu ausführlichen Reflexionen anregte.

Berühmt ist die Erzählung seiner Bekehrung im Garten seines Hauses in Mailand, als er vor Verzweiflung weinend die Stimme eines Kindes vor sich hinsingen hörte: Nimm und lies, nimm und lies! Sofort ändert sich seine Stimmung, er greift zu der Bibel, in der er zuvor noch in den Briefen des Paulus gelesen hat, und liest folgende Stelle aus dem Römerbrief: »Lasst uns ehrenhaft leben wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Streit und Eifersucht. Legt den Herrn Jesus Christus an«

Augustinus zieht sich mit Gleichgesinnten auf ein Landgut in der Nähe von Mailand zurück und beginnt ein neues Leben, das ihn schließlich zu einem der wichtigsten Theologen der christlichen Geschichte werden lässt. Er prägt den folgenreichen und umstrittenen Begriff der Erbsünde. Aber das ist eine andere Geschichte. Weitreichend ist sein Einfluss auf den Glauben und das Wirken Martin Luthers, der ja nach seinem „Sturmerlebnis“ 1505 in das besonders strenge Kloster der  Augustiner-Eremiten in Erfurt eintrat.

Gut lesbare und erschwingliche Ausgaben der Bekenntnisse gibt es bei Reclam und dtv. 

 

 

Sonntag, 29. August 2021

Eigentlich wollte ich mich heute über die Heilige Sabina schlau machen. Schon deshalb, weil ich vor langen Jahren vor der Basilika Santa Sabina (5.Jhdt.!) in Rom stand. Das Portal zeigt die älteste erhaltende Darstellung Christi am Kreuz. Unbedingt sehenswert!

Beim Aufmachen von wikipedia bin ich aber auf den Artikel des Tages gestoßen. Ein spannender und sehr detaillierter Bericht über die „Kirche der Granitsäulen“. Sie war, so lese ich mit Erstaunen, eine der größten Kirchenbauten im mittelalterlich-nubischen Staat von Makuria.

Das alles war mir bisher völlig unbekannt. Immer wieder muss ich feststellen, wie wenig Ahnung ich von den Entwicklungen des Christentums außerhalb Europas habe! Noch nie hatte ich davon gehört, dass vom 4. bis ins 14. Jahrhundert in der Gegend des heutigen nördlichen Sudan der christliche Staat Makuria existierte.

In den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurden viele Orte des damaligen Staates aus dem Wüstensand ausgegraben. Es müssen dabei wunderbare Kunstwerke entdeckt worden sein. Darunter eine beeindruckende Kathedrale in Faras, einer Stadt nördlich des zweiten Nilkatarakts gelegen. Bei den Ausgrabungen fanden sich dort Reste weiterer Kirchen.

Die Kirche der Granitsäulen befand sich in Alt Dunqula, der Hauptstadt des Staates Makuria. Die Grundfesten der mehrmals umgebauten und erweiterten Kirche führen ins sechste Jahrhundert zurück. Die Forscher rätseln über die Ursprünge und die architektonischen Vorbilder. Es scheint Ähnlichkeiten zu einigen armenischen Kirchenbauten zu geben, die in noch früheren Jahrhunderten entstanden sind.

Eine faszinierende Welt, die noch zu entdecken bleibt. Ich kann hier nur vorschlagen mit den Artikeln von wikipedia den Anfang zu machen: Kirche der Granitsäulen, Makuria, Faras, Alt Dunqula und nicht zu vergessen: Santa Sabina! Das ist ein „Muss“!

 

Montag, 30.August 2021

Eine Sensation: Am 30. August 1992 wird die weltweit erste lutherische Bischöfin in ihr Amt eingesetzt. Im April dieses Jahres wurde die Pfarrerin Maria Jepsen überraschend deutlich von der Synode der nordelbischen Kirche gewählt. Diese Wahl kam bei einem Teil der Gemeindeglieder, aber auch bei vielen Pfarrern, nicht gut an! 80 Kollegen von Maria Jepsen sollen gedroht haben, vorzeitig in den Ruhestand zu wechseln, sollte sie tatsächlich gewählt werden. Ob sie wirklich  diese Konsequenzen zogen, konnte ich nicht herausfinden.


Auch die erste bayrische Pfarrerin Marianne Pflüger musste mit erheblichen Widerständen rechnen. Aus einem Nachruf: „Nichtsdestotrotz war sie überglücklich, als sich für sie in der Nikodemuskirche im Jahr 1977 doch noch die Tür ins Pfarramt auftat. Natürlich wurde sie nicht von allen Gemeindegliedern mit gleichermaßen offenem Herzen aufgenommen, aber sie erkämpfte sich Respekt, Ansehen und Zuneigung mit der ihr eigenen freundlichen Beharrlichkeit. Dass Marianne Pflüger 1976 ordiniert wurde, war das Ergebnis des beharrlichen Einsatzes einiger Theologinnen, die aus guten Gründen nicht nachvollziehen konnten, warum Frauen der Weg ins Pfarramt nach wie vor verschlossen blieb. Als Sprecherin des Theologinnenkonvents hatte Marianne Pflüger selbst auf der Landessynode im Jahr 1974 eine Erklärung zur „Gleichbegnadung von Mann und Frau“ abgegeben, wobei sie sich auf das Wort des Propheten Joel berief: Gott gießt seinen Geist über alles Fleisch aus, eure Söhne und Töchter sollen weissagen (Joel 3,1). Damit verdeutlichte sie den Verkündigungsanspruch beider Geschlechter aus den alttestamentlichen Schriften. Im folgenden Jahr beschloss die Synode dann, dass auch Frauen das Pfarramt offenstehen sollte. Man konnte sich der in anderen Landeskirchen schon fast überall praktizierten Frauenordination nun nicht mehr verschließen. Mit dem Antritt des Pfarramts in der Nikodemuskirche im Jahr 1977 hat Marianne Pflüger bayerische Kirchengeschichte geschrieben.“ (https://josefstal.de/nachruf-marianne-pflueger/)
Aus heutiger Sicht erscheint es kaum nachvollziehbar, dass es so lange dauerte, bis Frauen Pfarrerinnen werden „durften“! In anderen Kirchen kämpfen die Frauen noch dafür!

 


Dienstag, 31.August 2021

Heute begeben wir uns auf den Spuren des Heiligen Aidan auf die Insel Lindisfarne, die damals zu dem angelsächsischen Königreich Northumbria gehörte. Unsere Zeitreise führt uns in die Anfänge des siebten Jahrhunderts zurück. Bevor Aidan sich als Missionar auf den Weg nach Schottland machte, war er Bischof in Nordirland. Er stammte vermutlich auch aus Irland, wie so viele andere durch ganz Europa ziehende Botschafter des Evangeliums.

König Oswald von Northumbrien beauftragte ihn mit der Mission der einheimischen Bevölkerung. Aidan gründete auf der Insel Lindisfarne ein Kloster mit zunächst 12 schottischen Mönchen, von wo aus er die behutsame Missionierung begann. Auch unter Oswalds Nachfolger Oswine konnte die erfolgreiche Christianisierung fortgesetzt werden.

Das Kloster Lindisfarne entwickelte sich zu einem berühmten Zentrum christlicher Kunst und Kultur. Das Evangeliar von Lindisfarne, eine kunstvoll illustrierte Handschrift, zeugt von der überragenden Kunstfertigkeit der dortigen Schreibschule.

875 wurde das Kloster aus Angst vor den wiederholten Wikingerüberfällen zum ersten Mal aufgegeben. 1536 wurde es, nachdem es Benediktiner noch einmal aufgebaut hatten, endgültig aufgelöst. Heute existieren nur noch Ruinen und eine Pfarrkirche.

Aidan verstarb am 31. August 651. Seine Gebeine wurden 875 mit denen der Heiligen Cuthbert, Eadberht, Eadfrith, Æthelwald vor den Wikingern in Sicherheit gebracht.
 

 

Mittwoch, 1.September 2021

Heute lese ich in der Zeitung vom Antikriegstag, der seit 1957 vom Deutschen Gewerkschaftsbund veranstaltet werden soll. Ich habe noch nie davon gehört. Anlass ist die Erinnerung an den deutschen Überfall am 1. September 1938 auf Polen, der den Beginn des Zweiten Weltkriegs markierte.

Sehr schade, dass dieses Gedenken auf so geringe Resonanz stößt! Nie wieder Krieg! Diesen Aufruf dürfen wir nicht vergessen, gerade wir, die -wie ich – bisher von Kriegserfahrungen verschont geblieben sind. Wenn ich daran denke, dass meine Großeltern gleich zwei Weltkriege miterleben mussten. Den ersten noch als Kinder und Jugendliche, den zweiten dann als aktive Unterstützer der verbrecherischen Kriegsziele und als Kriegsteilnehmer.

Inzwischen waren Soldaten der Bundeswehr schon an mehreren Kriegen beteiligt gewesen. Wie war das noch mal? Die Freiheit Deutschlands wird am Hindukusch verteidigt! Was bedeutet das für uns, jetzt, nach diesem beschämenden Truppenabzug? Bräuchten wir nicht 365 Antikriegstage oder besser bewusst gelebte und dankbare Friedenstage? Gerade jetzt, wo es die modernen Medien so leicht machen, andere zu „dissen“ und zu „mobben“. Fängt da nicht schon der (Klein-)Krieg an?

Dazu Jesus in seiner Bergpredigt (Mat 5,21-22): Ihr wisst, dass unseren Vorfahren gesagt worden ist: Du sollst nicht töten! Außerdem heißt es: Wer einen Mord begeht, der gehört vor Gericht. Ich sage euch aber: Schon wer auf seinen Bruder oder seine Schwester wütend ist, gehört vor Gericht. Wer zu seinem Bruder oder seiner Schwester „Dummkopf“ sagt, gehört vor den Hohen Rat. Wer „Idiot“ sagt, der gehört ins Feuer der Hölle.


Donnerstag, 2. September 2021


Simeon Stylites (= der Säulensteher) war sicher einer der eigenartigsten Gestalten der Kirchengeschichte. Er lebte mehrere Jahrzehnte als Einsiedler auf einer zwei Quadratmeter großen Plattform auf einer angeblich 18 Meter hohen Säule, die er nie verließ!


Nach seinem Tod wurde an Ort und Stelle eine große Pilgerkirche erbaut. Außerdem fand er offenbar zahlreiche Nachahmer. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man auf einer Säule, dem Wind und dem Wetter ausgesetzt, auch nur einige Tage aushalten kann!


Ich zitiere aus wikipedia: „Noch bevor Simeon seine erste Säule bestieg, führte er nach Darstellung der Testimonien zahlreiche asketische Praktiken durch, um seinen irdischen Körper zu transformieren. So fastete er bereits nach seinem Bekehrungserlebnis und stand bzw. kniete tagelang im Gebet. Auch ließ er sich für zwei Jahre bis zur Brust in die Erde eingraben. Außerdem wickelte er sich eine Zeit lang ein grobes Seil aus Palmenblättern so eng um den Körper, dass es einschnitt, und nahm nur einmal wöchentlich Nahrung zu sich. Später begann er eine Askese, die dem Prinzip des Verharrens an einem Ort folgte, indem er sich eine Kette um den Fuß legen ließ, die an einem Stein befestigt war. Seitdem übte er sich darin, weitestgehend im Stehen zu fasten. Nachts betete er in Form von Verbeugungen. Simeon galt als Heiliger, der durch konsequente Übung zu Gott gefunden hatte. Das Können und Wissen, über das er infolge dieser Übung verfügte, zeigte sich z. B. in seiner Fähigkeit zu heilen sowie darin, dass er zweimal täglich von der Säule herab lehrte, Fragen beantwortete, Segen erteilte und dergleichen mehr. Kaiser Theodosius II. stieg sogar auf die Säule, um sich von Symeon beraten zu lassen. Auf diese Weise hatte Symeon der Stylit erheblichen Einfluss auf Politik und Gesellschaft. Für die verfolgten Christen im Perserreich war er ein Symbol der Rettung, denn er trat für die Armen und Unterdrückten ein. Eine seiner Forderungen war eine Zinsbeschränkung auf sechs Prozent“.


Irgendwie beeindruckt mich dieser verrückte Extremist beinahe wider Willen.


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