8. - 14. Oktber 2021

Freitag, 8.Oktober 2021

Im Bezug auf die Länge und die Qualität des Lebens vernimmt man in Psalm 90 eine erstaunlich skeptische Stimme: „Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hochkommt, so sind's achtzig Jahre, und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon.“

Das Leben scheint uns immer zu kurz. In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch in den wohlhabenden Ländern die durchschnittliche Lebensdauer enorm erhöht. Dazu beigetragen hat auch der medizinische Fortschritt. Bereits am 8.Oktober 1958 gelang es dem schwedischen Art Ake Senning einem Menschen einen Herzschrittmacher einzupflanzen, inzwischen beinahe eine Routineoperation. Wie vielen Menschen wurde dadurch ein weiterer Lebensabschnitt geschenkt!

Willy Brandt starb im Alter von 79 Jahren am 8.Oktober 1992. Unvergesslich bleibt für mich der damals alle Welt in Erstaunen versetzende Kniefall bei der Kranzniederlegung am Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos am 7.Dezember 1970. Eine sehr eindrückliche Geste der Bitte um Vergebung für die deutschen Verbrechen. Sie konnte von vielen Menschen in Deutschland nicht angenommen werden und bleibt bis heute umstritten. Eine Politik der Versöhnung und Verständigung scheint nicht leicht Verständnis zu finden.

Die Ostdenkschrift der EKD, ebenfalls heftig angegriffen, ermutigte bereits 1965 zu Schritten der Verständigung und Versöhnung zwischen Deutschen und Polen. Jahre vor der Ostpolitik Willy Brands.

Ich finde es sehr beschämend, dass die Vertreter der deutschen Kirchen nach dem zweiten Weltkrieg nur ansatzweise in der Lage waren ihre Mitschuld an dem grausamen Geschehen im Dritten Reich einzugestehen. Eine vergleichbare, glaubwürdige Geste ist ihnen nicht gelungen. Seit Jahren erleben wir im Zusammenhang mit den Missbrauchsskandalen, dass gerade hochrangige Kirchenvertreter Schwierigkeiten haben mit Schuld, Vergebung und Versöhnung offen und im christlichen Sinn umzugehen.  

 

 

Samstag, 9.Oktober 2021

An manchen Tagen, so mein Eindruck, häufen sich die Gedenktage. Der Urahn der Glaubenden Abraham ist hier an erster Stelle zu nennen. Daran schließt sich meine Frage, welche Personen aus dem Alten oder Ersten Testament die Aufnahme in die Liste der zu Gedenkenden geschafft haben?

Darauf folgt wieder einer (vgl. 25.Juni) der Jakobusse des neuen Testaments. Dieses Mal erinnern wir uns an Jakobus, den Sohn des Alphäus, später Jakobus der Jüngere genannt. Die Geschichte der Jakobusse ist verwickelt, weil sie oft miteinander verwechselt und schließlich im Lauf der Kirchengeschichte in einer Person zusammengefasst wurden. Ansonsten gibt es über ihn nicht viel zu sagen.

Den heiligen Bischof Dionysius (St.Denis) kenne ich noch (smiley!), als ich vorübergehend in Paris gelebt habe, nämlich in der Rue des Martyrs. Sie führt direkt zum Montmartre (= Berg der Märtyrer), wo seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Basilika Sacré Coeur steht. Ein Pariser Wahrzeichen, von wo aus man einen prima Blick über die Weltstadt werfen kann.

Dionysius soll Mitte des 3.Jahrhunderts der erste Bischof von Paris gewesen sein. Eine spätere Legende erzählt von seiner Enthauptung an einem Platz bei Montmartre, nach der er mit seinem Kopf unter dem Arm noch mehrere Meilen bis zu dem Platz gelaufen sein soll, wo er begraben werden wollte. An der Stelle wurde später die berühmte Kathedrale St.Denis errichtet Ein Teil der Strecke soll durch die heutige Rue des Martyrs geführt haben. Seit dem 9.Jahrhundert gilt St.Denis als Nationalheiliger Frankreichs. In der genannten Kathedrale liegt auch ein Großteil der französischen Könige und Königinnen, deren Grablege während der Französischen Revolution allerdings geplündert und viele Skulpturen schwer beschädigt wurden. Ich weiß nicht, ob ich mich ärgern oder schmunzeln soll, wenn ich lese, dass man Dionysius bei Kopfschmerzen angerufen hat.

Jetzt bleibt leider kein Platz mehr vor den Reformator Justus Jonas, der heute im Jahr 1555 gestorben ist. Vielleicht findet sich noch eine andere Gelegenheit? 

 

 

Sonntag, 10.Oktober 2021

Ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung macht auf den Maler Alexej von Jawlensky aufmerksam. Er wird zum Umkreis der Künstlergruppe „Der blaue Reiter“ gezählt. In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg entwickelte er bis zu seinem Tod 1941 eine Art „ikonischer Köpfe“, die sich sehr ähneln, doch auch deutlich unterscheiden. Gesichter, mal konkreter, mal fast abstrakt, die hindurchsehen lassen auf eine andere Wirklichkeit. Er nennt sie Meditationen. Beispielhaft zeigt der SZ-Artikel das 1921 entstandene Werk „Heilandsgesicht. Ruhendes Licht“. Am Ende wird Alexej von Jawlensky zitiert: „Ich bin ein religiöser Mensch. Meine Kunst ist ein Gebet. Ikona."
https://www.sueddeutsche.de/kultur/alexej-von-jawlensky-wiesbaden-marianne-von-werefkin-serien-1.5430518

Zu den Heiligen – Viktor von Xanten, Brun von Köln, Cassius und Florentinus, sowie Gereon von Köln – finde ich heute keinen Draht. Lucas Cranach der Ältere, wäre noch interessant. Er malte stilbildende Portraits von Martin Luther und Philipp Melanchton. Cranach wiederum wurde von Albrecht Dürer konterfeit. Seit 1505 war er Hofmaler am kursächsichen Hof und lebte in der Nachbarschaft Martin Luthers. Er war Trauzeuge bei der Heirat mit Katharina von Bora, sowie Taufpate deren ältesten Sohnes Johannes.

Viel mehr fasziniert mich heute der Artikel des Tages bei wikipedia. Es geht um das letzte Buch Charles Darwins, dessen Erstausgabe am 10.Oktober 1881 erschient. Es trägt den, für mich, erstaunlichen Titel: Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer
Zitat: „Darwins genaue Beobachtungen ihrer Lebensweise sowie seine Experimente über ihr Hörvermögen, ihre Lichtempfindlichkeit, ihr Kälte- und Wärmeempfinden und die Tätigkeit ihrer Reflexe führten dazu, dass sich das Wissen um die Nützlichkeit von Regenwürmern für den Ackerbau rasch verbreitete und auch außerhalb von Fachkreisen durch setzte.“
Unbedingt lesenswert: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Bildung_der_Ackererde_durch_die_T%C3%A4tigkeit_der_W%C3%BCrmer

 

Montag, 11.Oktober 2021

Heute gedenken wir des Todestages von Huldrych Zwingli. Er wurde am 11.Oktober 1531 in der zweiten Schlacht bei Kappel getötet, nachdem er gefangen genommen war. Sein Leichnam wurde gevierteilt, verbrannt und seine Asche verstreut.

Wer sich mit Heiligen oder mit Menschen beschäftig, die auf ihre Weise die Nachfolge Jesu praktizieren, der lernt auch kennen, wie Menschen hassen und was sie sich an Schrecklichkeiten einfallen lassen, um ihre Gegner zu massakrieren. Die Erfahrung von Gewalt ist ein beinahe ständiger Begleiter engagierten Lebens. Allerdings gibt es auch genug Heilige, die selbst den Einsatz von Gewalt nicht scheuten, oder als „Schreibtischtäter“ zu Morden oder gar Massenmorden (z.B. Kreuzzug) aufriefen. Davon zu lesen stimmt mich sehr traurig und lässt mich manchmal ziemlich an „der Kirche“ zweifeln.

Huldrych Zwingli gehört zu den radikaleren Reformatoren, die dem „Übel des Irrglaubens“ so richtig an die Wurzel (lat.: radix) gehen wollten. Ich zitiere eine Passage aus „Te Deum“: „Alles, was nicht in der Bibel begründet war, sollte abgeschafft werden. So wurden die Klöster aufgehoben, die Liturgie der Taufe nach Luthers Vorbild gestaltet, die Bilder in den Kirchen abgenommen, Prozessionen, Orgelspiel und Gemeindegesang, Firmung und Letzte Ölung abgeschafft, die Zahl der Feiertage verringert, das Abendmahl unter beiderlei Gestalten an einem Tisch abgehalten, ein Ehegericht eingeführt.“

Das alles und noch viel mehr, klingt sehr streng, und für mich – aus dem historischen Abstand – sehr lieblos. Es mag historische Konstellationen geben, die vielleicht ein solch radikales Vorgehen verlangen, will man die dabei gewonnenen Errungenschaften, nicht wieder vollkommen verlieren. Aber ich bleibe skeptisch und ziehe den Versuch eines Kompromisses mit der Gegenseite vor. Das allerdings ist eine Position, die selten ihre Freunde gefunden hat. Philipp Melanchthon kann ein Lied davon singen.

So hatten sich dann schon bald – 1529 - die Wege der Reformierten und Lutheraner unversöhnlich getrennt, bis endlich – 1973! – eine Kompromissformel gefunden wurde und beide Seiten ihr unterschiedliches und bisher trennendes Abendmahlsverständnis anerkannten. Nachzulesen im evangelischen Gesangbuch unter der Nummer 980, die sogenannte Leuenberger Konkordie. Seitdem dürfen wir gegenseitig am Abendmahl der anderen Konfession teilnehmen, oder ein reformierter Pfarrer auf einer lutherischen Kanzel predigen.

Diese Einigung hat nur schlappe 466 Jahre gedauert. Mit der römisch-katholischen Kirche dauern die Gespräche noch an. Alles hat seine Zeit! Es kann nicht mehr lange dauern.

 
Dienstag, 12.Oktober 2021

Wieder ein Gedenktag aus dem evangelischen Namenkalender. Heute steht die Engländerin Elizabeth Fry (1780-1845) im Mittelpunkt. Sie gehörte der Glaubensgemeinschaft der Quäker an, die Mitte des 17.Jahrhunderts aus einer zunächst losen Gruppierung von Menschen entstanden ist, die die Unzufriedenheit mit der anglikanischen Staatskirche einte. Einer ihre Gründer, George Fox, wurde mehrfach verhaftet, meist wegen des Vorwurfs der Blasphemie. Dabei waren und sind die Quäker höchst friedliche Menschen. Die Glaubensgemeinschaft zählt mit den Mennoniten und den Church oft he Brethren zu den drei sogenannten historischen Friedenskirchen.

Unbedingt weiterlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Qu%C3%A4kertums und https://de.wikipedia.org/wiki/Qu%C3%A4kertum

Die Quäker feiern einen beeindruckenden, völlig andersartigen Gottesdienst, in dem es weder Gesang, noch Gebet, noch irgendeine Liturgische Handlung gibt. Die Versammlung sitzt miteinander im gesammelten Schweigen, vielleicht unterbrochen durch eine biblische Lesung oder einem Impuls einer der Anwesenden. Es gibt keine amtliche Hierarchie. Alle Entscheidungen werden im Konsens getroffen.
Zweimal konnte ich an so einem Gottesdienst teilnehmen. Das erste Mal konnte ich das ungeduldige Gefühl, dass etwas geschieht nur schwer unterdrücken. Seitdem achte ich aber auf mehr Raum für Stille in unseren Gottesdiensten.

Zurück zu Elizabeth Fry. Sie stammte aus begütertem Haus. Ihre Mutter starb als sie 12 Jahre alt war. Mit 20 Jahren heiratete sie den Bankier Joseph Fry. Die Biographien im Internet schildern nicht, was sie zu ihrem sozialen Engagement führte. Sie scheint ungeheuer Tatkräftig und unerschrocken gewesen zu sein. 1813 begann Sie Gefängnisse zu besuchen. Daraufhin setzte sich ausdauernd und erfolgreich für eine Reform des Strafvollzugsein. 1817 gründete sie noch einen Verein zur Besserung weiblicher Straftäter. Dazu Schulen für verwaiste Mädchen und für Kinder von Straftätern. Schließlich engagierte Sie sich für die Verbesserung der Behandlung von Strafgefangenen.

 

 

Mittwoch, 13.Oktober 2021

Auch das Interesse für die Heiligen kennt gewisse Moden und Trends. Manche Heiligen scheinen einfach gut zu aktuellen Entwicklungen und Stimmungen zu passen. In ihren Biographien, ihre Lehren oder Verhaltensweisen lässt sich eventuell etwas finden, dass zur Lösung gegenwärtiger Probleme beitragen könnte.

Im Leben Madeleine Debrels erkennen einige offenbar einen solchen „Möglichkeitssinn (Robert Musil)“. In letzter Zeit sind vermehrt Ausgaben ihrer Schriften und Biographien erschienen. Sie lebte in religiöser Hinsicht ein sehr unabhängiges und unkonventionelles Leben.

Zur Zeit des ersten Weltkriegs als Jugendliche noch Atheistin, wandte sie sich dem christlichen Glauben zu, den ihr Verlobter so ernsthaft lebte, dass er sich für den Eintritt in den Dominikanerorden entschied. Madeleine erkrankte daraufhin schwer. Sie erwog selbst in den Karmeliterorden einzutreten, übernahm es dann aber ihren Vater zu pflegen. Später begann sie eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin.

Zusammen mit zwei Freundinnen übernahm sie ein Sozialstation in dem Pariser Arbeitervorort Ivry, der kommunistisch geprägt gewesen ist. Anstatt, wie kirchlicherseits üblich, sich gegen die Kommunisten abzugrenzen, suchte sie die Zusammenarbeit, die über lange Jahre gut funktionierte. Die Freundinnen lebten ohne Regel ein gemeinschaftliches Leben, sozial engagiert, aber auf einer kontemplativen Basis: Das Gebet, gemeinschaftlich oder einzeln, prägte den Alltag.

Madeleine Debrel fühlte sich der französischen Bewegung der Arbeiterpriester – die Mission de France - ehr verbunden. Als sie verboten wurde, setzte sie sich persönlich, letztendlich aber vergeblich, bei Papst Pius XII. für sie ein. In den späteren Jahren zog sie sich mehr in ihre kleine Gemeinschaft zurück, kochte und empfing viele Gäste. Am 13.Oktober starb sie an einem Schlaganfall.

Madeleine Debrel gilt heute als eine „moderne“ Mystikerin. Wie so viele Mystikerinnen lebte sie kein sozial isoliertes Leben, sondern ein sehr engagiertes Leben für die Benachteiligten der Gesellschaft. 

 

 

Donnerstag, 14.Oktober 2021

Immer noch bin ich gespannt, welche Entdeckung an jedem neuen Tag auf mich warten wird. Wer und welche Lebensgeschichte, welche Glaubenserfahrung verbirgt sich hinter den heutigen Namen: Kallistos, Jakob der Notar, Burkard von Würzburg oder Hildegund? Aber welche von den vier Hildegunden, die mir wikipedia anzeigt, soll gemeint sein? Drei von ihnen lebten gegen Ende des 12.Jahrhunderts. Heiliggesprochen wurde anscheinend nur Hildegund von Schönau.
Das kurze Leben der letzteren liest sich im Lichte der Diskussionen um die Gender-Frage außerordentlich modern und in gewisser Weise „unglaublich“. Ich übernehme die Beschreibung aus dem ökumenischen Heiligenlexikon: „Hildegund wurde im Benediktinerinnenkloster in Neuss erzogen. Auf Anraten ihres Vaters, der auf einer gemeinsamen Wallfahrt ins Heilige Land 1183 starb, gelangte Hildegund als Mann verkleidet und unter dem Namen Joseph zurück in die Heimat. Als Junge wurde sie Diener eines Kölner Kanonikers, der mit ihr eine abenteuerliche Reise zum Papst nach Rom unternahm. Nach der Rückkehr trat die sich immer noch als Mann Gebende 1187 in das 1142 gegründete Kloster Schönau der Zisterzienser ein. Erst nach ihrem Tod erkannte man ihr wirkliches Geschlecht. Hildegund erzählte auf dem Totenbett ihre Lebensgeschichte, die dann aufgeschrieben wurde.“ Ihr Gedenktag wäre eigentlich der 20. April.
Hildegundis von Münchaurach möchte ich noch erwähnen, weil der Ort nicht weit entfernt liegt und die ehemalige Klosterkirche gut erhalten und eines Besuches wert ist. Geboren wurde sie 1110 in Höchstadt an der Aisch. Auch ihr wurde kein langes Leben beschert. Hildegundis wollte ein jungfräuliches Leben führen, wurde aber zwangsverheiratet und starb am Tag der Hochzeit. Ihr Vater soll darauf am Todesort das Kloster gestiftet haben. Natürlich ist die Wahrheit der Legende umstritten. Da aber solche tragischen Todesfälle im Zusammenhang mit einer Zwangsverheiratung in den Geschichten und Legenden des Öfteren berichtet werden, kann ich mir einen historischen Kern vorstellen.
Hildegund von Meer und Hildegund von Geseke wären die beiden anderen vorzustellenden Damen. Ich bitte aber selbst nachzuschlagen.


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