Freitag, 5. November 2021
Der sogenannte Sendungsbefehl im letzten Kapitel des Matthäusevangeliums hat über die beiden Jahrtausende eine ungeheure Wirkung entfaltet. "Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker:
Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt
Ende."
Immer noch fühlen sich Christen gerufen, diesen „Befehl“ ausführen, um den verstecktesten Menschen in unwegsamen und unerforschten Weltgegenden die frohe Botschaft zu bringen. Die nicht immer
freiwillige Annahme dieser Botschaft hatte leider für manche Gemeinschaften „unerwünschte Nebenwirkungen“ bis hin zur Auslöschung ihrer Existenz. Ich denke, dass diese Folgen christlicher
Unbarmherzigkeit von Jesus nicht beabsichtigt gewesen sind. Sie haben der Glaubwürdigkeit der Botschaft keinen Gefallen getan. Ich empfinde sie als einen schmerzhaften Stachel in meinem
christlichen Dasein.
Welche Folgen der missionarische Drang von Hans Egede hatte, kann ich nicht beurteilen. Der norwegische Pfarrer dänischer Abstammung brach im Jahr 1721 nach Grönland auf, um dort mutmaßlich vom
Glauben abgefallene Normannen zum christlichen Glauben zurückzuführen. Die lebten dort nicht mehr, dafür entdeckte er die Inuit.
Hans Egede lernte und erforschte ihre Sprache und übersetzte die biblische Botschaft mit Hilfe von Zeichnungen seines Sohnes und einer gewissen Erfindungsgabe. Nach drei Jahren konnte er die
ersten Kinder taufen. Er gründete eine Kolonie. Offenbar folgten ihm weitere Menschen aus Norwegen. 1730 wurden diese Siedler von König Christian I. zurück in die Heimat gerufen. Hans Egede blieb
mit seiner Familie. 1734 fielen seine Frau und alle Inuit einer Pockenepidemie zum Opfer. Sein Sohn Paul blieb in Grönland, während er nach Kopenhagen zurückkehrte und Religionslehrer für
Grönland ausbildete.
1922 wurde ihm zu Ehren eine große Statue errichtet, die 2020 von Aktivisten aus Protest gegen die Kolonisation beschmiert wurde.
https://www.sueddeutsche.de/politik/daenemark-der-missionar-der-in-die-kaelte-kam-1.4947526
Samstag, 6. November 2021
Wer will, kann sich in unserem Stadtteil den dreißigjährigen Krieg jederzeit bewusstmachen. Von manchem Punkten aus kann man auf die Alte Veste in Zirndorf sehen, eine U-Bahn-Haltestelle ist nach
dem schwedischen König Gustav Adolf II. benannt, eine Straße in der Nähe nach seinem Gegner, dem Feldherrn Wallenstein und am Hainberg kann man auf einer Schautafel die Gefechtsstellungen
betrachten, hinter denen sich die Gegner verschanzten. Eine lokale Kultbiersorte wurde nach so einer Schanze benannt.
Die Schlacht an der Alten Veste bei Nürnberg endete im Patt. Die beiden Heere zogen nach Sachsen, um dort das Winterquartier zu beziehen. Es kam zur Schlacht bei Lützen, bei der Gustav Adolf II.
im dichten Nebel zuerst schwer verwundet, dann aus nächster Nähe durch einen Lungenschuss getötet, durch Messerstiche entstellt, entkleidet und ausgeraubt wurde. Die Nachricht seines Todes wurde
zunächst nicht geglaubt.
So wurde der schwedische König zu einem protestantischen Märtyrer des Glaubens. Sein Eingreifen in den schließlich dreißig Jahre währenden „Glaubenskrieg“ der katholischen und protestantischen
Herrschenden soll einen Sieg der katholischen Heere verhindert haben. Nach langen Verhandlungen wurde am 24. Oktober 1648 der sogenannte Westfälische Frieden geschlossen. Anschließend wurden auf
einem einjährigen Diplomatenkongress in Nürnberg weitere Details geregelt. Das berühmte Nürnberger Friedensmahl, das 1649 im Rathaus stattfand, wurde von Joachim von Sandrart in einem
Monumentalgemälde „verewigt“. Eine Reproduktion ist in der U-Bahn-Station Gustav-Adolf-Straße zu bewundern.
Dem Gedenken des Glaubens- und Kriegshelden Gustav Adolf, der zeitweise offenbar wie ein zweiter Martin Luther verehrt wurde, ist die riesige, 1930 geweihte, Gustav-Adolf-Gedächtniskirche
gewidmet. Wenig später entstand die ebenfalls wie eine Trutzburg wirkende Reformations-Gedächtniskirche. Martialische Zeugnisse für einen sogenannten wehrhaften Glauben, der dann im Dritten Reich
zu Staub zerbröselte oder in der Hoffnung an den Retter des Deutschen Volkes auf- und schließlich unterging.
Sonntag, 7. November 2021
In der Nacht vom 6. auf den 7.November 739 ist im Kloster Echternach, das er auch gegründet hat, der angelsächsische Missionar Willibrord verstorben.
Wie sähe das christliche Abendland aus, wenn es nicht diese tüchtigen und offenbar unverwüstlichen Männer und Frauen aus Irland, England und Schottland gegeben hätte, die jeder Gefahr getrotzt
und bei Wind und Wetter unsere Vorfahren zum christlichen Glauben bekehrt hätten? Willibrord ist 81 Jahre alt geworden, ebenso wie sein Konkurrent Bonifatius. Dabei hat sich erst sein Vater
taufen lassen. Das Christentum war also noch ganz „neu“. Und schon machte sich der Sohn auf den Weg, um auch andere, die davon gar nichts wissen wollten, daran teilhaben zu lassen.
Vom Papst zum Erzbischof geweiht, sollte bzw. wollte der „die Friesen“ christianisieren. Das war auch ein Anliegen des fränkischen Hausmeiers Pippin des Mittleren, der eigentliche Machthaber im
Fränkischen Reich. Die zwei bedeutendsten Mächte der damaligen Zeit hatten also ein gemeinsames Interesse an der „Befriedung“ dieser unruhigen und widerspenstigen Geister. Erst nachdem diese
Region militärisch unter Kontrolle gebracht werden konnte, wurden auch deutliche Fortschritte bei der Mission verzeichnet.
Willibrord zog sich in seinen letzten Jahrzehnten in sein Kloster und von der Missionsarbeit zurück und starb dort – im Gegensatz zu Bonifatius – eines friedlichen Todes.
Bekannt ist heute die Echternacher Springprozession, die auf eine Wallfahrt zu Willibrords Grab zurückgehen soll. Ihre heutige Form reicht aber nur ins 19. Jahrhundert zurück. Eine Zeit, in der
viele „uralte“ Bräuche entstanden bzw. erfunden wurden und die wir heute in einer kapitalistischen Form mehr konsumieren als in Ehren halten. Wenn´s zu keinem Event taugt, hat es eh keinen langen
Bestand mehr. Man geht ja inzwischen auch in ein Erlebniskaufhaus, wenn man sich die Sachen nicht gleich liefern lässt und eine „unzip-Party “ feiert. Aber die Echternacher Springprozession, die
macht schon was her!
Montag, 8. November 2021
Ich bedanke mich bei Alexander Jungkunz von den Nürnberger Nachrichten und beim Kürzel „cur“, die heute für mich die Texte für mein Tagebuch (m)eines Kirchenjahres verfasst haben. Eine schöne
Erinnerung an die längst vergangene (und zum Teil vergessene) Jugendzeit. Die Antwort auf die Frage Alexander Jungkunz´ würde mich auch interessieren! Gibt’s den Stehblues noch? Vermutlich
nicht.
Ich zitiere aus der „Randnotiz“ auf der Seite 1 der NN: „Gibt´s eigentlich den Stehblues noch? Bei Klassenpartys waren diese langsamen Schmachtsongs geliebt oder verachtet; kam auf den
Tanzpartner an (sofern vorhanden). Manche der Klassiker haben Tücken. Auch die Acht-Minuten-Ballade „Stairway to heaven“ von Led Zeppelin. Mittendrin wird´s nämlich ziemlich rockig. Der Klassiker
ist auch deshalb einer, weil sehr fromme Christen teuflische Botschaften heraushören wollten – wenn man die Platte rückwärts abspielte. Nun ja. Im Text geht´s um Esoterisches. Um Zeichen an der
Wand, einen Pfeifer – und um jene Himmelstreppe, die sich eine Lady kauft. Wohin die führt? Wird nicht verraten in dem Song. … „Stairway to heaven“ hat heute 50 Jahre auf dem Buckel. Am
8.November 1971 erschien die Platte.“
Als ungläubiger Thomas kann ich kaum glauben, dass dieses Lied täglich um 12.08 Uhr als Glockenspiel am Fürther Rathaus zu hören sein soll. Warum das denn?
Nachdenklicher macht mich der Hinweis von „cur“ in der Rubrik „Aufgschnappt“ auf den Internationalen Tag der Putzfrauen: „Ins Leben gerufen hat ihn die deutsche Autorin Gesine Schulz. … Schulz
wollte mit dem Welttag auf die prekären Arbeitsverhältnisse der Reinigungsbranche hinweisen – und die Menschen sichtbar machen. Während Reinigungskräfte in Deutschland außerhalb der Bürozeiten
arbeiten, geht man in Norwegen einen anderen Weg. Dort putzen die Reinigungskräfte während der Bürozeiten, auch, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. In Deutschland ist man noch nicht so
weit, aber vielleicht möchten Sie ja ihren guten Geistern, die für saubere Arbeitsplätze sorgen, auch mal danken – zumindest mit einer kleinen Aufmerksamkeit, es wäre zumindest ein Anfang.“ (NN
S.25)
Dienstag, 9. November 2021
Am 9.November hat ein/e Heilige/r keine Chance. Das ist „der“ Tag der deutschen Geschichte. Mein „Te Deum“ erwähnt zwar knapp den Weihetag der Lateranbasilika, einen wichtigen Termin der
Frühgeschichte der römisch-katholischen Kirche bzw. der Christentumsgeschichte. Ich empfehle den entsprechenden Artikel bei wikipedia.
Ansonsten gebe ich hier die Aufstellung aus „Te Deum“ wieder: „1918 wurde durch Matrosenaufstände in Wilhelmshaven und Kiel die Novemberrevolution ausgelöst. Kaiser Wilhelm II. setzte sich nach
seiner Abdankung am 9.November 1918 nach Holland ab. Am selben Tag wurde vom Balkon des Reichstages in Berlin die Deutsche Republik ausgerufen. 1923 wurde am 9.November der Putschversuch Adolf
Hitlers bei der Feldherrnhalle in München niedergeschlagen. Am 9.November 1925 wurde die Terrororganisation SS (Schutzstaffel) als Eliteorganisation der NSDAP gegründet. Am 9.November 1938 wurde
von der nationalsozialistischen Herrschaft die Pogromnacht inszeniert, in er fast überall die Synagogen brannten und Geschäfte zerstört wurden. Am 9.November 1989 verkündete das
SED-Politbüromitglied Günter Schabowski, dass Privatreisen für DDR-Bürger ins Ausland beantragt werden können – und trug zum Fall der Mauer in Berlin bei. Die deutsche Wiedervereinigung wurde
Realität.“
Ich ergänze: 2006 wird in München, drei Jahre nach der Grundsteinlegung des Jüdischen Zentrums, die Hauptsynagoge feierlich eröffnet.
Die Heiligen des Tages sollen wenigstens erwähnt werden: Theodor von Euchaita. Der Legende nach ist er der Bruder des Hl.Georg. Er wurde 306 grausam hingerichtet, weil er den Tempel der Magna
Mater in Brand gesetzt haben sollte. Sollte man Theodor (= Gottesgabe) als christlichen Terroristen bezeichnen?
Zu erwähnen sind noch Herfried (weder bei wikipedia noch im Heiligenlexikon zu finden) und Roland (da gibt es mehrere Kandidaten, aber welcher soll gemeint sein?). In dem Zusammenhang auch
spannend: Das Rolandslied.
Außerdem ist heute in Deutschland der Tag der Erfinder. Interessant!
Mittwoch, 10. November 2021
In der aktuellen Ausgabe des evangelischen Namenkalenders wird er nicht genannt. Dort bekommt Leo der Große (um 400 bis 461) den Vorzug. Das ökumenische Heiligenlexikon widmet ihm einen knappen
Artikel. In einem Buch mit Biographien christlicher Märtyrer im zwanzigsten Jahrhundert bekommt er keinen eigenen Artikel. Im „Te Deum“ wird er unter der Überschrift „Lübecker Märtyrer“ neben
Johannes Prassek, Eduard Müller und Herman Lange, alles Kapläne an der Herz-Jesu-Kirche in Lübeck, genannt: Pfarrer Karl Friedrich Stellbrink. Am ausführlichsten informiert über ihn der
wikipedia-Artikel, auf den ich mich hauptsächlich beziehen muss.
Karl Friedrich Stellbrink scheint keine einfache Persönlichkeit gewesen zu sein. Was ich von ihm lese, macht ihn mir nicht besonders sympathisch. Auf einem Foto (im Heiligenlexikon) ist er mit
einem Hitlerbärtchen zu sehen, ein anderes zeigt ihn mit einem „neutralen“ Bartschmuck. In Münster geboren, im ersten Weltkrieg verwundet, geht er nach bestandenem Examen mit seiner Frau als
Pastor für deutsche Ausgewanderte nach Brasilien. Er war bereits Mitglied in völkischen Organisationen. Nach seiner Rückkehr trat er 1930 in die NSDAP ein. Aus seiner Gemeinde gab es Beschwerden
über sein „herrisches Wesen“.
1934 wurde er als Pastor der Lübecker Lutherkirche angenommen. Zur selben Zeit legte er seine Parteiämter nieder. 1937 wegen parteischädigender Kritik aus der Partei ausgeschlossen und von der
Gestapo überwacht, wandelte er sich zum Kriegsgegner und pflegte freundschaftlichen Kontakt zu den katholischen Kollegen, die dann später mit ihm verurteilt und hingerichtet wurden.
Nach einem alliierten Fliegerangriff auf Lübeck am 28./29.März 1943 wurde er wegen einer als kritisch aufgefassten Predigt vom Kirchenrat seines Amtes enthoben und am 8.April von der Gestapo
verhaftet. Am 10.November starben die vier „Lübecker Märtyrer“ durch das Fallbeil.
Die „Bewertung“ und „Einordnung“ Karl Friedrich Stellbrinks als christlicher Märtyrer bleibt offensichtlich ein unabgeschlossenes Kapitel in der evangelischen Kirchengeschichte. Die katholischen
Kollegen wurden 2011 seliggesprochen. Im deutschen Martyrologium ist Karl Friedrich Stellbrink als „Nichtkatholik in ökumenischen Gruppen“ verzeichnet. Wie würde das evangelische Gedenken
ausfallen, hätte es die drei katholischen Märtyrer nicht gegeben?
Die damalige Kirchenleitung arbeitete im Fall von Karl Friedrich Stellbrink offensichtlich eng mit der Gestapo zusammen und unternahm nichts zu seiner Verteidigung und seinem Schutz. Diese
Geschichte wird mich weiter beschäftigen.
Donnerstag, 11. November 2021
Pelzmärtel, so hat er früher bei uns geheißen. Wer er gewesen ist blieb unklar. Morgens, nach dem Aufstehen, fanden wir bei den ordentlich aufgestellten Schuhen ein grobes Säckchen mit einer
Schokoladenfigur, Walnüssen, einem Apfel und ein paar Mandarinen. Das war´s. Dass ich jemals an einem Martinsumzug teilgenommen hätte, kann ich mich nicht erinnern. Gab´s den vielleicht
nicht?
Als unsere Kinder ins Kindergartenalter gekommen sind, wurden Laternen gebastelt, Lieder gelernt und gesungen und der Umzug am frühen Abend, in der Dunkelheit, mit Spannung erwartet. Alle waren
dabei, keiner hat gefehlt. Der Martinsumzug gehört dazu. Und auch das Nachspielen jener berühmten Szene, als der Heilige Martin, am besten auf einem echten Pferd, seinen Mantel mit dem Bettler
teilt.
Hinterher dann stehen die Erwachsenen zusammen und plaudern fröhlich bei einem Punsch. Das wird in diesem Jahr dummerweise und überraschend wieder schwierig, bzw. unmöglich. Der Umzug fällt in
der Regel aus. Corona ist zurück. Die vierte Welle.
Die Geschichte von Sankt Martin wurde uns damals nicht erzählt. Aber auch nicht, dass am 10.November 1483 Martin Luther geboren wurde und es deshalb uns „Lutheraner“ gibt, bzw. „die
Evangelischen.“ Mit dem Begriff „Lutheraner“ hätte ich nichts anfangen können. Wann wurde uns im Schulunterricht zum ersten Mal von Martin Luther erzählt? Ich weiß es nicht mehr. Es hat mir
nichts bedeutet.
Der Heilige Martin war eine Schlüsselfigur in der Ausbreitung des Christentums im vierten Jahrhundert. Der Sohn eines hochrangigen römischen Offiziers musste zunächst selbst beim Militär
antreten, obwohl er von klein auf davon träumte, Einsiedler zu werden. Getauft wurde er übrigens erst, nachdem er bei Amiens den Mantel geteilt haben soll. Einsiedler ist er dann tatsächlich auch
geworden, aber auch Missionar und schließlich Bischof. Noch zu seinen Lebzeiten wurde seine Biographie verfasst, die ihm dann seinen langen Nachruhm sicherte. Martin von Tours, dort liegt er
begraben, gilt als der Begründer des Mönchtums im westlichen Europa. Das sind einige der wichtigsten Stichworte. Zu erzählen gäbe es aber noch viel mehr.