Freitag, 3. Dezember 2021
Von ihren insgesamt 587 Liedern, die sie gedichtet hat, finden sich noch zwei im Evangelischen Gesangbuch: „Bis hierher hat mich Gott gebracht“ und „Wer weiß wie nahe mir mein Ende“. Beide werden
durchaus noch gesungen. Das letztere wurde dreimal von Johann Sebastian Bach (BWV 27, BWV 84 und BWV 166) vertont.
Ämilie Juliane Gräfin von Schwarzburg-Rudolstadt hatte kein einfaches Leben. Sie wurde 1637 als Flüchtlingskind (30jähriger Krieg) auf der riesigen Heidecksburg in Rudolstadt geboren. Ihre
adligen Eltern verstarben 1641 und 1642. Sie wurde vom damaligen Schloßherrn zusammen mit den eigenen Kindern aufgezogen und erhielt die gleiche Förderung und Bildung. Gefördert wurde sie
besonders von dem Juristen und Dichter Ahasverus Fritsch, der sie auch in die Dichtergesellschaft „Fruchtbringende Jesusgesellschaft“.
„Ebenso wichtig waren in der gräflichen Familie Bibel, Gesangbuch und Luthers Katechismus, sowie die geistlichen „Bestseller“ der damaligen Zeit: neben den Werken Johann Valentin Andreäs die
Meditationes von Johann Gerhard und besonders Johann Arndts Vier Bücher vom wahren Christentum und das Paradiesgärtlein. Neben einer vertieften lutherischen Frömmigkeit wurde Ämilie Juliane so
vom Strom der Brautmystik mittelalterlicher Frauenklöster geprägt, den diese Autoren weitergaben (Die Seele wird als Braut und Jesus als himmlischer Bräutigam gesehen).“ So steht zu lesen in dem
empfehlenswerten Werk „Wer ist wer im Gesangbuch“ (Hg. Wolfgang Herbst).
Weiter hebt der Artikel hervor: „Da diese Bildersprache der Brautmystik sehr viele Lieder von Ämilie Juliane bestimmt, ist dies schon ein sehr bemerkenswerter Punkt in der evangelischen Lieder-
und Frömmigkeitsgeschichte.“
In ihren letzten Lebensjahren pflegte sie – zu den üblichen Gebetszeiten – eine zusätzliche Sterbe-Betstunde, um sich als Christin bewusst auf ihren Tod vorzubereiten. Sie starb während dieser
Gebetsstunde am 3. Dezember 1706 auf der Heidecksburg.
Samstag, 4. Dezember 2021
Legenden leben länger. Im Zuge der Liturgiereform der römisch-katholischen Kirche wurden 1969 die Gedenktage derjenigen Heiligen aus dem Festkalender gestrichen, deren Historizität nicht
nachweisbar war. Davon betroffen war auch die Heilige Barbara. Aber ihre Beliebtheit bei den Gläubigen und das reiche Brauchtum, das ihre Verehrung umgibt, ließ sie nach 1972 erneut Eingang in
einige Regionalkalender finden. 2001 wurde sie wieder im römischen Martyriologium aufgenommen. (Für Interessierte: https://de.wikipedia.org/wiki/Martyrologium)
Legenden existieren meist in verschiedenen Fassungen, die nicht immer auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind. Man sollte die manchmal recht umständlich formulierten Geschichten in der Form
älterer Sammlungen, wie der Legenda aurea (https://de.wikipedia.org/wiki/Legenda_aurea) lesen, denn gerade das „Verwickelte“ oder das „Drumherum“ macht oft den Charme der Geschichte aus. Moderne
Zusammenfassung können sozusagen nur den „plot“ liefern, aber nicht das „Geheimnis“ darstellen.
Aus Platzgründen hier die superkurze Version aus wikipedia: „Barbara war eine sehr schöne und kluge junge Frau. Ihr Vater Dioscuros versuchte, sie von der Außenwelt abzuschirmen und sperrte sie
in einen eigens dafür gebauten Turm. Viele junge Männer aus Nikomedia hielten um ihre Hand an. Barbara jedoch wies die Verehrer zurück. In Abwesenheit ihres Vaters nahm Barbara den christlichen
Glauben an und entschied sich, als Eremitin in einem Badehaus zu wohnen, das ihr Vater erbaut hatte. Dort ließ sie ein drittes Fenster hinzufügen – als Symbol der Dreifaltigkeit. Als ihr Vater
von ihrer Bekehrung zum Christentum erfuhr, versuchte er in rasender Wut, seine Tochter zu töten. Auf der Flucht öffnete sich vor Barbara ein Felsen. Ein Hirte verriet sie. Dann wurde sie
gefangen genommen und vor einen Richter gebracht, der das Todesurteil aussprach und sie foltern ließ. Dioscuros selbst enthauptete seine Tochter und wurde vom Blitz erschlagen.“
Ich mag besonders den Brauch am Barbaratag einen Zweig ins Wasser zu stellen, um zu sehen, wie er langsam aufblüht.
Sonntag, 5. Dezember 2021
Die Dominikanische Republik gehört zu den beliebtesten Reisezielen der deutschen Urlauber. Am 5. Dezember 1492 „entdeckte“ Christoph Kolumbus eine Insel, die er zunächst Hispaniola nannte.
Die Spanier errichteten ein Fort namens Navidad (das mich an das beliebte Weihnachtslied Feliz Navidad denken lässt). Daraus wurde die erste Kolonie Spaniens auf dem amerikanischen Kontinent.
Mich verblüfft immer wieder mit welcher Selbstverständlichkeit christliche Europäer den Lebensraum anderer Menschen für sich in Anspruch nahmen und deren Lebensrecht ignorierten.
Die Einwohner der Insel, Arawak genannt, begegneten den Ankömmlingen zunächst friedlich und hilfsbereit. Als die zurückgelassene vierzig Mann starke Besatzung des Forts aber mit immer brutaleren
Mitteln die Bevölkerung zur Goldsuche zu zwingen versuchte, wurde das Fort zerstört.
Bei seiner Rückkehr im folgenden Jahr ließ Kolumbus viele der Arawaken versklaven und nach Spanien schicken. Aus Verzweiflung soll es zu Massenselbstmorden unter der einheimischen Bevölkerung
gekommen sein.
Arawaken, eine Sprachfamilie, lebten auch in anderen Teilen Mittel- und Südamerikas. Einerseits lese ich, dass die Arawaken nach ungefähr 100 Jahren ausgerottet gewesen sein sollen, andererseits
sollen die Garifuna (ca. 130 000 Menschen), die an Honduras, Belize und Guatamala leben, Nachfahren dieser Stämme und „importierter“ afrikanischer Sklaven sein. Die Garifuna leben vorwiegend in
Küstengebieten von der Fischerei, wie andere indigene Bevölkerungsteile eher geduldet, als geachtet.
„Sprache, Tanz und Musik der Garifuna wurden von der UNESCO 2001 als ein Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit anerkannt und 2008 in die Repräsentative Liste des
immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen“ Angesichts deren realer Lebensbedingungen klingt das für mich beinahe zynisch.
Montag, 6. Dezember 2021
Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute von den Besuchen „des“ Nikolaus in Zeiten von Corona unter dem Titel: „Erst poltert es an der Tür, dann schreitet ein Mann herein: Er riecht noch nach der
kalten Luft von draußen, ist eingepackt in einen roten Umhang, hat eine Mitra auf dem Kopf, trägt einen Rauschebart und hält den goldenen Bischofsstab in der Hand. Der Nikolaus ist da. Einer von
ihnen ist Christian Gretz, seit neun Jahren besucht er Kinder und Erwachsene und beschert ihnen vorweihnachtliche Freude. In der Corona-Pandemie bleibt er dabei meist vor der Haustür oder er
liest gleich im Home-Office aus seinem goldenen Buch.“
Aber es ist nicht nur der Virus der dem ehemals beliebten Bischof zusetzt: „Die Arbeitslosigkeit der Rauschebärte liege laut Moser aber nicht ausschließlich an der Pandemie. Auch vorher schon sei
die Nachfrage gesunken, sowohl bei privaten Kunden als auch bei Unternehmen. Selbst unter den Nikolaus-Darstellern sei nur noch "der harte Kern" geblieben: Drei altgediente Nikoläuse hätten heuer
noch den Sack schultern wollen, jüngere kämen kaum noch nach. Moser vermutet: "Viele Menschen sind nicht mehr so traditionsverhaftet." Und dann geht der Trend laut Jobcafé auch noch weg vom
Bischof hin zum nicht überall gern gesehenen Weihnachtsmann mit Zipfelmütze.“
In den evangelischen Gebieten Frankens hatte schon lange der „Pelzmärtel“ den Nikolaus verdrängt, oder gleich das „Christkind“, das die Bescherung an Heilig Abend übernahm. Über die Legenden und
das reichhaltige und regional sehr unterschiedliche Brauchtum um den kleinasiatischen Bischof aus dem vierten Jahrhundert, wusste ich kaum etwas, bis ich Pfarrer an einer nach Nikolaus benannten
ehemaligen Klosterkirche wurde. Eine durchaus ungewöhnliche Widmung in dieser Gegend, gilt der Heilige doch eher als Schutzpatron der Seefahrer.
Trotz der schwarzen Pädagogik die oft durch ihn vermittelt wurde, war mir das, was ich über ihn las sehr sympathisch. Wenn einiges davon stimmen sollte, dann war er vor allem den armen und
einfachen Menschen besonders zugewandt.
Donnerstag, 9. Dezember 2021
Im Jahr 2002 wurde Juan Diego Cuauhtlatoatzin von Papst Johannes Paul II. in Mexiko als erster Ureinwohner Lateinamerikas heiliggesprochen.
Ihm „erschien im Dezember 1531 vier Tage lang die Mutter Gottes auf einem Hügel nahe Mexiko-Stadt. Vor ihm stand eine schöne, dunkelhäutige Frau, gekleidet wie eine Aztekenprinzessin: „Sag dem
Bischof, er soll mir eine Kathedrale bauen, ich bin die Jungfrau Maria“, sagte sie zu ihm in seiner Indianersprache Nahuatl. Der Bischof verlangte Beweise. Drei Tage erschien Maria ein zweites
Mal, und auf dem schneebedeckten Hügel wuchsen Rosen, Juan Diego sammelte sie und brachte sie in seinem Mantel zum Bischof. Als er den Mantel öffnete, erkannte der Bischof das Gesicht der Mutter
Gottes.“ (Te Deum)
Natürlich wurde dort sofort eine Kapelle errichtet, in der Juan Diego bis zu seinem Tod als Einsiedler lebte.
Das Wunder wird bei www.heiligenlexikon.de ausführlicher beschrieben. Dort wird durch eine genaue Beschreibung des Gnadenbilds versucht zu erklären, warum diese Erscheinung eine Bekehrungswelle
unter der autochthonen Bevölkerung hervorrufen konnte.
Andererseits äußern Kritiker den Verdacht, die Person des Juan Diego sei eine Erfindung des Bischofs, quasi ein Trick um die gegenüber der katholischen Kirche misstrauischen Bevölkerung zu
überzeugen. Untersuchungen zufolge soll außerdem das Gnadenbild der Jungfrau von Guadalupe, wie die wundersame Erscheinung sich genannt haben will, mehrfach übermalt wurde. Ursprünglich soll
Maria ganz einfach gekleidet gewesen sein.
Eine rätselhafte Geschichte, die auch nach mehrfacher Lektüre ein schales Gefühl in mir hinterlässt. Auf dem Hintergrund der skrupellosen Missionsgeschichte Lateinamerikas tendiere ich eher dazu
den kritischen Stimmen zu folgen. Irgendwie enttäuschend.