1. - 7. Juli 2021

Freitag, 02. Juli 2021

Heute überschneiden sich wieder zwei Ereignisse, wobei das eine in keinen kirchlichen Kalender aufgenommen wurde, das andere aber in (fast) allen christlichen Kirchen eine besondere Hochschätzung erfährt. Mit letzterem ist das Hochfest Mariä Heimsuchung gemeint, dass auf die Begegnung Mariens mit ihrer Verwandten Elisabeth zurückgeht.

Maria besucht (Lk 1,39-45), nachdem ihr der Engel Gabriel ihre besondere Geburt angekündigt, Elisabeth im jüdäischen Gebirge. Bei der Begrüßung hüpft das Kind -Johannes - der schwangeren Elisabeth vor Freude in ihrem Bauch. Der Gruß Elisabeths fand später Eingang in das Rosenkranzgebet und wurde als „Ave Maria“ unzählige Male vertont. Maria antwortet auf diesen Empfang mit einem berühmten Gebet, dem Magnifikat, das täglich im abendlichen Stundengebet gesprochen wird, übrigens auch in der evangelischen Vesper (siehe EG 729), die aber nur selten praktiziert wird.

Mit Maria, der „Muttergottes“, aber auch der „anderen Maria“ (Magdalena) tun sich „die Evangelischen“ schwer, wenn auch ihre Beachtung inzwischen – vor allem durch Theologinnen - eine deutliche Aufwertung erfahren hat. Dennoch haben Marienfeste wie dieses noch nicht ins gemeindliche Bewusstsein zurückgefunden. Die über Jahrhunderte verfestigten lutherischen Verdikte der Marienverehrung wirken weiterhin nach.

Das andere Ereignis betrifft ebenfalls die „Heilige Familie“, nämlich die legendarische Mutter Mariens, Anna. Am heutigen Tag im Jahr 1505 war der Jurastudent Martin Luther auf dem Weg von Mansfeld, wo er seine Eltern besucht hatte, zurück nach Erfurt, als ihn bei Stotternheim ein heftiges Gewitter überraschte. Er gelobte Mönch zu werden, sollte ihn die Schutzheilige der Bergleute, Anna, in der Todesgefahr bewahren. Sein Gebet wurde erhört. Der Student hielt Wort und suchte Aufnahme im Erfurter Augustinerkloster. So nahm sein Lebenslauf eine abrupte Wende, eine Abkehr des vom strengen Vater vorgezeichneten Karriereplans. Spätere Denkmäler und Abbildungen zeigen Luther mit strengen Gesichtszügen und autoritärem Fingerzeig auf die geöffnete Bibel. Eine Vaterfigur für viele!

 

 

Samstag, 03. Juli 2021

Der Gedenktag des Apostels Thomas wurde 1970 mit der Liturgiereform vom 21. Dezember auf den 3. Juli verlegt. Die evangelische Ordnung ist beim ursprünglichen Datum geblieben, empfiehlt aber aus ökumenischen Gründen die Feier des neuen Termins.  

Der als Zweifler verrufene Thomas hat eine faszinierende Wirkungsgeschichte hervorgerufen. Bekannt wurde in den letzten Jahrzehnten vor allem das Thomasevangelium, in dem sich, laut Fachwissenschaftlern, einige authentische Worte Jesu finden lassen. Einige weitere Schriften berufen sich auf den Apostel, der mit seiner Missionstätigkeit bis nach Indien gekommen sein soll. Diese Legende kann auf eine bis ins 3. Jahrhundert zurückreichende Tradition zurückgeführt werden. Diese facettenreichen Spuren wären es wert weiter verfolgt zu werden. Vielleicht am 21. Dezember?

Denn ein anderer zieht meine Aufmerksam auf sich. Er wird von vielen Menschen, fast wie ein Heiliger verehrt wird, Zu dessen Grab am Pariser Friedhof Père Lachaise „pilgern“ jährlich rund 1,5 Millionen Menschen, die teilweise tatsächlich so eine Art spirituelle Suche bewegt. Ich meine Jim Morrison, den legendären Sänger der Doors, der in Paris im Alter von 27 Jahren an nicht einwandfrei geklärten Ursachen gestorben ist. Drogen und Alkohol dürften jedoch zu seinem frühen Tod am 3.Juli 1971 beigetragen haben und damit seiner skandalträchtigen Karriere. Ob ihm selbst der Durchbruch gelungen ist?

Er selbst hat sich zeitweise als Schamane stilisiert. Einige seiner tranceartigen Lieder geben die Sehnsucht nach einem „Durchbruch zur anderen Seite“ zum Ausdruck. Das Gewissheit, dass es „noch mehr geben muss“, die konnte er vermitteln. Er war auf der Suche!

Ich war als Jugendlicher am Grab von Jim Morrison und ein Fan seiner Musik, ohne ihn zu verehren. Auf den Pariser Friedhöfen suchte ich, wie viele andere Menschen, noch weitere Gräber verstorbener Berühmtheiten auf, an die oft frische Blumen oder andere Gegenstände niedergelegt waren. Wodurch entsteht das Bedürfnis die Gräber berühmter Menschen aufzusuchen? Worin besteht der Unterschied zur religiösen Heiligenverehrung?  

 

 

Sonntag, 04. Juli 2021

Als „früher“ noch in fast jeder größeren Stadt amerikanische Truppen stationiert gewesen sind, wurde diesem Tag in Deutschland mehr Aufmerksamkeit zuteil als heute: Der Unabhängigkeitstag. Der Nationalfeiertag der USA. Am 4. Juli 1776 erklärten dreizehn ehemals britische Kolonien ihre Unabhängigkeit vom Kronland und nannten sich „Vereinigte Staaten von Amerika“.

Ein Tag von hohem Symbolwert. Unabhängig und frei sein, ist zum Lebensziel der meisten Menschen der westlichen Welt geworden. Sie wollen sich zumindest so fühlen. Die Frage ist, was sie jeweils unter Freiheit und Unabhängigkeit verstehen. Auf den ersten Blick stehen diese neuzeitlichen Werte quer zu traditionellen religiösen Werten, wie Gehorsam und Demut!

Letzteres klingt schon weniger aufregend. Doch gerade Menschen, die sich intensiver auf den spirituellen Weg einlassen und verschiedene Arten von Meditation und Kontemplation üben, erkennen, dass diese verpönten Begriffe durchaus einen Weg in eine umfassende Freiheit ermöglichen. Augustinus hat diese Freiheit in die berühmten, provozierenden Worte gefasst: Liebe und tu, was du willst!

Ein anderes, spannendes, freiheitliches Experiment begann am 4.Juli 1845. George Henri Thoreau hatte sich auf einem eigenen Grundstück bei Concord am Walden-See eine Blockhütte erbaut, in der er nun selbständig und zurückgezogen leben wollte. Eine Art säkularer Eremit. Er pflegte ein bewusst einfaches und naturverbundenes Leben.

Seine Beobachtungen und Gedanken, die er in dem Buch „Walden oder das Leben in den Wäldern“ veröffentlichte, faszinieren und inspirieren bis heute viele Menschen. Gerade ist ja das „minimalistische“ Leben sehr en vogue und auch das „Ausmisten“ à la Marie Kondo. George Henri Thoreau hat vor rund 175 Jahren vorgemacht, wie das geht: Aussteigen aus der Tretmühle des Immer-mehr. Sechs Wochen Arbeit haben ihm gereicht, um für ein Jahr über die Runden zu kommen.

„Walden“, das ist die richtige Lektüre für einen Sonntag, dem dann vermutlich eine „blauer Montag“ folgen wird. 

 

 

Montag, 05. Juli 2021

Montag ist nicht der beliebteste Wochentag. Nach einem schönen Wochenende muss man wieder in die Arbeit. Am Sonntag konnte man noch lange im Bett liegen, spät frühstücken, musste sich von keinen Terminen gängeln lassen, konnte tun und lassen, was man wollte. Ganz anders am Montagmorgen. Früh aufstehen, duschen, Kinder wecken, frühstücken. Eventuell Kinder in die Schule bringen, zur Arbeit fahren, im Stau stehen. Stress pur, bis um 8 Uhr ist man schon wieder völlig erledigt. Dann muss man tun, was „der Job verlangt“, abarbeiten was auf der, immer zu langen, Todo-Liste steht.

Die moderne Arbeitstechnik und Arbeitszeiterfassung machen die über Jahrhunderte gepflegte Tradition des blauen Montags zunehmend unmöglich. Gerade der Computer kann genau erfassen, wer wie lange konzentriert seine Arbeit verrichtet oder ob man lieber im Internet surft und einkauft, private Mails versendet oder „zockt“. Keine Chance dem Gerät etwas vorzumachen. Die Programmierung kennt keinen Ermessensspielraum. Da hatten es unsere Vorfahren noch leichter, sie arbeiteten einfach langsamer, zogen die Pausen hinaus, waren nicht zum richtigen Malochen zu bewegen. Manche erschienen gleich gar nicht am Arbeitsplatz. Heute unmöglich.

Friseurläden, Gasthäuser und Museen blieben montags meistens geschlossen. Pfarrer und Pfarrerinnen nahmen sich ihren freien Tag, den Pfarrersonntag. Alles nicht mehr so, wie es einmal war. Deswegen will ich heute mal auf diese gute alte Tradition (die allerdings dem protestantischen Arbeitsethos widerspricht) zurückgreifen und jetzt einfach blau machen. Eine gute Zeit!


Dienstag, 06. Juli 2021

In Tschechien gilt er als Nationalheiliger, im Heiligenkalender der römisch-katholischen Kirche wird er nicht aufgeführt. Eigentlich kein Wunder, wurde er doch 1415 auf dem Konstanzer Konzil als Ketzer (kirchlich) verurteilt und (weltlich) verbrannt: Johannes Hus.

Das stellt die Frage: Wer wird von wem aus welchen Gründen als Heilige, als Heiliger verehrt? Und wer als Ketzer verurteilt und wofür?

In der Tradition der evangelischen Kirchen wird Johannes Hus hochgehalten, gilt er doch als ein Vorläufer und Wegbereiter der Reformation. „Heute bratet ihr eine Gans, aber aus der Asche wird ein Schwan erstehen“, soll Johannes Hus vor seiner Verbrennung prophezeit haben. Tatsächlich nahm Johannes Bugenhagen noch in seiner Trauerrede für Martin Luther auf diesen Ausspruch Bezug.

In der römisch-katholischen Kirche beansprucht seit dem Mittelalter der Papst das alleinige Recht Menschen heilig zu sprechen. Inzwischen muss dafür ein rechtlich genau geregeltes Verfahren eingehalten werden. Als Spitzenreiter in Bezug auf Heiligsprechungen gilt Papst Johannes Paul ii, der 482 Menschen in diesen exklusiven Rang erhoben hat.

Andererseits kann sich jeder, der das Glaubensbekenntnis spricht, als
der Gemeinschaft der Heiligen zugehörig fühlen. Daraus folgt jedoch noch keine Verehrung als Heilige/r.

Papst Johannes Paul II äußerte 1999: „Heute […] fühle ich mich verpflichtet, mein tiefes Bedauern auszusprechen für den grausamen Tod von Jan Hus und für die daraus folgende Wunde, Quelle von Konflikten und Spaltungen, die dadurch in den Geist und die Herzen des böhmischen Volkes gerissen wurde.“

Die Umstände der Verurteilung von Johannes Hus lassen allerdings an der Rechtmäßigkeit zweifeln. Die Reformbedürftigkeit des Papstums war offensichtlich. Eine Rehabilitation dringend notwendig.
Näheres unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Hus

Mittwoch, 07. Juli

Ich komme gerne nach Rothenburg Ich mag die Atmosphäre. Trotz der vielen Tourist*innen fühle ich mich hier rundum wohl. Ich liebe den Blick ins Taubertal und die Wege rund um die Stadt. Der Gang nach Detwang ist ein Muss. Einen Schneeballn muss ich auch verzehren. (Und ein paar mit nach Hause nehmen.) Das geht nicht anders.

Besonders wohl fühle ich mich in der Franziskanerkirche. Da bleibe ich auf verschiedenen Plätzen länger sitzen und genieße das Da-sein. Dann gehe ich in die Jakobskirche, und obwohl es dort noch viel zu sehen und zu bewundern gibt, gleich schnurstracks die Treppe hoch zum Heilig-Blut-Altar. Dort bleibe ich ebenfalls länger und betrachte die Abendmahlsszene. Sicher kann man einiges über die kunstfertige und sogar revolutionäre Art sagen, in der Tilman Riemenschneider den Altar gestaltet und die einzelnen Figuren geschnitzt hat, aber mir gefällt einfach die Szenerie.

Tilman Riemenschneider hat Jesus und die Apostel einfach an einen schweren Holztisch in einem fränkischen Wirtshaus mit Butzenscheiben im Hintergrund gesetzt. Überwiegend vierschrötige, gestandene Männer in lebhafte Gespräche verwickelt. Andächtig – sie waren ja zur Feier des Passa zusammengekommen – geht es da nicht zu. Nur einer ist ganz still: Der Lieblingsjünger „der sich an die Brust Jesu lehnte, wird von Judas im Vordergrund verdeckt.

Tilman Riemenschneider lebte am 1483 in Würzburg, wo er später als angesehener Künstler Mitglied des Rates und für einige Jahre sogar Bürgermeister wurde. Im Bauernkrieg ergriff er – mit anderen Ratsherrn - die Partei der Aufständischen. Ihr Heer wurde am 4. Juni vor der Stadt vernichtend geschlagen, Innerhalb von zwei Stunden wurden über 8000 Bauern niedergemetzelt.

Tilman Riemenschneider musste für seine Parteinahme einstehen. Er wurde eingekerkert und gefoltert. Nach seiner Freilassung – gegen Zahlung der Hälfte seines Vermögens - verlor er seine Ämter und seine Aufträge. Bald vergessen starb er am 7.Juli 1531. 
Donnerstag, 08.Juli 2021

1989 wurde ihnen eine Briefmarke gewidmet: 1300 Mission und Martyrium der Frankenapostel Kilian und Kolonat und Totnan. Ihre Legende steht wohl auf nicht ganz sicheren Füßen, denn ihr Gedenktag gilt als ein „nicht gebotener“, ausgenommen in Würzburg, wo die drei iro-schottischen Missionare 689 ermordet worden sein sollen. Kurioserweise werden ihre Gebeine in der Kiliansgruft im Neumünster, die Schädel aber Im Hauptaltar des Kiliansdom aufbewahrt.

Zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert waren viele Mönche und Wanderbischöfe aus Irland, Schottland und England in den fränkischen Gebieten unterwegs um, mit Erlaubnis (und manchmal militärischer Unterstützung) des Herrscherhauses, die Menschen zum christlichen Glauben zu bekehren oder bereits bestehenden Glauben zu festigen. Sie ließen Kirchen bauen, gründeten Klöster und errichteten – wie Bonifatius – eine effiziente an Rom gebundene Verwaltungsstruktur. Schottenklöster z.B. in Würzburg oder Regensburg und viele kunstvolle Handschriften zeugen heute noch von der hochstehenden Kultur, die sie verbreiteten.

Ich springe jetzt fast 1000 Jahre weiter ins Weimar des Jahres 1681, also noch vor lange vor Goethe. Hier ist der Kanzleiregistrator und Bibliothekar Georg Neumark gestorben. Bekannt wurde er als Dichter und Komponist evangelischer Kirchenlieder. Eines wird auch heute noch gesungen: „Wer nur den lieben Gott lässt walten (EG 369)“.

Eine schwere Kunst, von der Georg Neumark die Gemeinde singen lässt: Die Kunst der Sorglosigkeit oder auf „Kirchendeutsch“ des Gottvertrauens. Wir können Gott die Sorge für uns überlassen, gerade deshalb brauchen wir uns um nichts zu sorgen, so der Tenor.

Eine ungeheure Provokation für alle im Selbstmanagement geschulten und im Optimierungswahn gefangenen Zeitgenossen: Sing / bet / und geh auf Gottes Wegen / Verricht das Deine nur getreu / Und trau des Himmels reichem Segen / So wird Er bey dir werden neu. / Denn Welcher seine Zuversicht auf Gott setzt / den verläst Er nicht.

Es käme auf einen Versuch an! Wer traut sich?


Kommentare: 1
  • #1

    S. Osterkamp (Montag, 12 Juli 2021 16:16)

    Ich finde die Beiträge interessant, nachdenkend und manche Anregungen haben sie mir gegeben. Nun kam mir der Gedanke, wie wäre es, wenn die Betrachtung der Tage im vorneherein geschrieben würden? Ich könnte dann diesen Tag vielleicht "bewußter erleben"?