19. - 25. November 2021

Freitag, 19. November 2021

Elisabeth erschien mir immer als eine Lichtgestalt unter den Heiligen. Nach all dem – wenigen – was ich bisher von ihr wusste: Als Königstochter aus dynastischen Gründen mit vierzehn Jahren verheiratet, widmete sie sich der Fürsorge für die Armen. Wegen ihres Desinteresses an der höfischen Etikette wurde sie von ihrer adligen Familie „gemobbt“, wie wir heute sagen würden. Als ihr Mann, dessen Namen ich mir nie merken konnte, starb, gründete sie ein Hospital, wo sie ganz in der Pflege der Armen aufging. Sie starb bereits mit 24 Jahren.

Ja, und natürlich das Rosenwunder: Als Elisabeth die Burg verließ, um den Armen Brot zu bringen, was ihr verboten war, wurde sie von ihrer Schwiegermutter aufgehalten. Sie fragte Elisabeth, was in dem Korb sei, worauf diese antwortete: Rosen. Daraufhin sollte Elisabeth das Tuch vom Korb nehmen: Darunter befanden sich Rosen!

Jetzt erst lese ich, dass Ludwig von Thüringen, den sie mit 17 heiraten musste und wohl sehr liebte, auf dem Weg nach Jerusalem, während des fünften Kreuzzugs, 1227 an einer Fiebererkrankung gestorben ist. Elisabeth, mit ihrem dritten Kind schwanger, hatte ihn bei seinem Aufbruch bis zur Landesgrenze begleitet. Sein Tod soll ihr lange verheimlicht worden sein. Als sie davon erfuhr, brach sie zusammen.

Erschüttert hat mich aber, von ihrem Beichtvater Konrad von Marburg zu erfahren, der ab 1226 ihre seelsorgerliche „Begleitung“ übernahm. Das muss ein übler Typ gewesen sein. Ich kann´s nicht anders sagen.

Seit 1215 rief er – vom Papst mit disziplinarischer Vollmacht ausgestattet – zum Kreuzzug auf. Er war es, der den unwilligen Gemahl Elisabeths zur Teilnahme überredete und sie gleichzeitig den allerstrengsten Bußübungen unterwarf. Nach dem Tod Ludwigs wurde er zu Elisabeths Vormund bestimmt und hatte sie vollends in seiner Hand. Sie, die sich durch Gelübde an ihn gebunden hatte, wurde von ihm körperlich gezüchtigt und seelisch gedemütigt.

Eine schreckliche Geschichte. Nach ihrem Tod setzte er sich für ihre Heiligsprechung ein. Konrad von Marburg wurde vom Papst als Inquisitor eingesetzt. 1233 wurde er ermordet. Kein Wunder. 
Samstag, 20.November 2021

Der russische Schriftsteller Lew Tolstoi starb am 20.November 1910 im Alter von 82 Jahren auf einer Reise im Haus eines Bahnhofvorstehers. Viele kennen ihn vor allem als den Verfasser der spektakulären Romane „Krieg und Frieden“ und „Anna Karenina“, die natürlich mehrfach grandios verfilmt wurden.

Weniger bekannt wurde sein später Roman „Auferstehung“, in dem er die „Verwandlung“ eines adligen Gutsherrn beschreibt, der durch das Schicksal einer Prostituierten, an dem er seine Mitverantwortung und Schuld erkannte, zu einem Leben des Mitgefühls und der Nächstenliebe geführt wurde.

Lew Tolstoi beschäftigte sich zeitlebens mit den grundlegenden menschlichen Fragen, wie: Was ist das Leben? Wovon kann ich leben? Wie lebe ich richtig? Was bedeutet sterben? Wie sterben wir gut? Martin Tamcke zählt in seiner grundlegenden Einführung „Tolstojs Religion“ noch weitere solcher Lebensfragen auf.

Diese Fragen hatten Lew Tolstoi keine Ruhe gelassen, er wollte ihnen auf den Grund gehen, nicht nur theoretisch, sondern mit seinem eigenen Leben. Er lebte schließlich als Vegetarier und Pazifist. Die Hartnäckigkeit und Konsequenz seiner „Nachforschungen“ wurden von vielen seiner Zeitgenossen und seiner Familie nicht verstanden.

Viele religiöse Schriften, die Lew Tolstoi verfasste, und Erzählungen bezeugen diese ernsthafte Suche nach der „Wahrheit“ und dem „richtigen Leben“. Sie brachte ihn in Konflikt mit der russisch-orthodoxen Kirche, die ihn 1901 exkommunizierte. Was ihn kaum beeindruckte.

Andere wiederum sahen sich durch Lew Tolstoi inspiriert, alternative Lebensformen zu wagen. Vor allem seine Schrift „Das Himmelreich ist in euch“ löste eine Bewegung aus, deren Anhänger als „Tolstojaner“ bezeichnet wurden. Sie lebten in einer Art urchristlichen Gemeinschaft, wo alle alles gemeinsam hatten.

In seiner Radikalität bleibt Tolstois Auslegung des Evangeliums eine Herausforderung an die christlichen Kirchen. 
Sonntag, 21.November 2021

Die evangelischen Kirchen in Deutschland hatten auch einmal so eine Art Papst, der einfach mal bestimmen konnte, was von nun an gelten konnte.

Seit „Ewigkeiten“ war der letzte Sonntag im Kirchenjahr dem Thema „Ewiges Leben“ gewidmet, bis 1816. Ich zitiere wikipedia: „König Friedrich Wilhelm III. von Preußen bestimmte durch Kabinettsorder vom 24. April und Verordnung vom 25. November 1816 für die evangelische Kirche in den preußischen Regionen jeweils den letzten Sonntag des Kirchenjahres, den letzten Sonntag vor dem 1. Advent, zum „allgemeinen Kirchenfest zur Erinnerung an die Verstorbenen“. Folgende Gründe kommen dafür in Frage: das Gedenken an die vielen Gefallenen der Befreiungskriege von 1813 bis 1815, die Trauer um die 1810 verstorbene Königin Luise und auch das Fehlen eines Totengedenkens im evangelischen Kirchenjahr. Förderlich war sicher im Zeitalter der Romantik die Welle der Empfindsamkeit, die das Gedenken an die Verstorbenen verstärkt in Mode brachte. Die anderen evangelischen Landeskirchen übernahmen diese Bestimmung.“

Bis heute gilt der Totensonntag als ein staatlich geschützter „stiller Tag“, was bedeutet, dass an diesem Tag u.a. an öffentlichen Orten, wie Discotheken etc. nicht getanzt werden darf.

Seit einiger Zeit existieren für diesen Tag zwei Agenden („Gottesdienstformulare“) nebeneinander. Manchmal sieht ein „Kompromiss“ so aus, dass in den morgendlichen Gottesdiensten eher der Ewigkeitsaspekt thematisiert wird, während nachmittags auf Friedhöfen eine Gedenkfeier für die Entschlafenen, wie schonend für sanfte Gemüter formuliert wurde, gefeiert wird. Anderen ist diese feine Unterscheidung völlig egal und unverständlich.

In der römisch-katholischen Kirche wird das Christkönigsfest gefeiert, das wiederum seine eigene Geschichte hat. Ich bitte den entsprechenden Artikel bei wikipedia oder im Ökumenischen Heiligenlexikon nachzulesen.


Montag, 22 . November 2021

Ich werde bei der nächsten Gelegenheit unsere Organistin fragen, was sie mit der Hl.Cäcilie verbindet, wird sie doch in zahlreichen Darstellungen an einer kleinen Orgel spielend abgebildet. Erstaunlicherweise steht diese „Taschen-Orgel“ meist nicht in einer Kirche, sondern wird von der Heiligen in einem unbestimmten Raum, umgeben von einem oder mehreren Engeln, gespielt.

Das Patronat der Kirchenmusik soll sie einem Übersetzungsfehler verdanken (siehe wikipedia: Cäcilia von Rom). Ihr zu Ehren komponierten namhafte Musiker wie Joseph Haydn oder Charles Gounod „Cäcilienmessen“. In romanischen Ländern soll die beliebte Heilige sehr verehrt werden. Mir ist sie hier in unserem fränkischen Raum noch nicht aufgefallen. Aber vielleicht werde ich ab heute ihre Spuren aufmerksamer verfolgen, denn die Kirchenmusik liegt mir natürlich am Herzen. Obwohl wir Evangelische für dieses Metier schon einen Heiligen hätten: Johann Sebastian Bach! Er wird von einigen seiner Verehrer mit der, durch nichts mehr zu übertreffenden, Ernennung zum fünften Evangelisten ausgezeichnet.

Das Gedenken der Cäcilia ist mit vielen Unsicherheiten belastet, denn es lässt sich die Historizität ihres Martyriums nicht belegen. Die Wissenschaftler tendieren eher zur Annahme, dass ihre Legenden auf reiner Erfindung beruhen, Cäcilie also nicht gelebt haben soll.

Verehrt wird sie trotzdem weiterhin und das nachweislich seit der Mitte des 5.Jahrhunderts. Ihre Leidensgeschichte (passio) wurde zu dieser Zeit verfasst. Die Kirche Santa Cecilia in Trastevere in Rom wurde ihr geweiht. Sie soll über dem ehemaligen Wohnhaus der Familie erbaut worden sein. Eine Annahme, die durch archäologische Untersuchungen offenbar widerlegt wurde. Heilige haben es manchmal nicht einfach!

Aber eine Cäcilienmesse werde ich mir auf jeden Fall anhören!

 
Dienstag, 23. November 2021

Mit Clemens machen wir Bekanntschaft mit einer Reihe interessanter Schriften, deren älteste, wie z.B. der 1.Clemensbrief, noch zu Zeiten der jüngsten Schriften des Neuen Testaments verfasst wurden. Sie werden unter dem Titel „Apostolische Väter“ zusammengefasst und in der Regel auch unter diesem veröffentlicht.
So lese ich im Ökumenischen Heiligenlexikon: „Clemens war Irenäus zufolge der dritte, nach Augustinus und Optatus von Milevum der zweite Nachfolger von Petrus als Gemeindevorsteher von Rom, der auch Paulus noch persönlich kannte (Philipperbrief 4, 3) und der von den Aposteln noch ihre Predigt in den Ohren und ihre Überlieferung vor Augen hatte.
Spekulationen gibt es über die Beziehung von Clemens zum Konsul Titus Flavius Clemens; manche halten ihn für einen freigelassenen jüdischen Sklaven des Konsuls, andere halten sogar eine Identität der beiden für möglich. In späten Quellen wird Clemens' Verwandtschaft mit bedeutsamen Männern aus der Familie von Kaiser Domitian betont und gesagt, sein Vater sei zusammen mit dem Kaiser aufgewachsen.“
Wikipedia fasst die harten facts kurz und knapp zusammen: „Aus seinem Leben ist nur wenig bekannt. Vermutlich war er hellenistischer Jude mit guter Kenntnis der Schriften und gründlicher philosophischer Bildung.“
In manchen christlichen Gemeinden wurde der 1.Clemensbrief lange Zeit als kanonische Schrift, also zu den heiligen Schriften zählend, regelmäßig im Gottesdienst verlesen. Sie gilt als wichtige Quelle für die Geschichte des frühen Christentums. Der umfangreiche Brief wurde auf Griechisch verfasst und wendet sich im mahnenden Tonfall an die Gemeinde in Korinth, die durch heftige (gewaltsame?) Streitigkeiten in die Spaltung getrieben wurde.
Der 2.Clemensbrief ist später entstanden, stammt von einem anderen Autor und enthält die älteste erhaltene frühchristliche Predigt.
 

 

Mittwoch, 24. November 2021

Obwohl Geschichte zu meinen Lieblingsfächern gehörte, hielt ich Martin Luther lange Zeit für den einzigen Reformator. Schon die Stadtgeschichte Nürnbergs hätte mich eines Besseren belehren können.  Der Stein kam lange vor Martin Luther ins Rollen, aber er hat ihm den Schwung gegeben, der diese Entwicklung unaufhaltsam voranbrachte. Entscheidend wurde, dass viele, die sich nach Reformen sehnten, diese Vorlage aufnahmen und in ihrer Region umsetzten. Bei näherem Hinsehen werden so unzählige Reformator*innen sichtbar.

Eine gewisse Fixierung auf Martin Luther hat verhindert, die Reformationen und deren Protagonisten in anderen Ländern angemessen wahrzunehmen. Sie haben oft andere Wege eingeschlagen, wie z.B. in England, der zur Gründung der anglikanischen Kirche führte.

Die sogenannten presbyterianischen Kirchen stehen in der Tradition der schweizerischen Reformation Johannes Calvins. John Knox ist hier für Schottland eine der treibenden Kräfte gewesen. Ein aufregendes Leben, das nur unzureichend zusammengefasst werden kann.

Hier die Fassung des „Te Deum“: „Der ehemals katholische Priester John Knox wirkte ab 1546 als Prediger und später als maßgeblicher Organisator für die Reformation in Schottland. Er beteiligte sich am Volksaufstand in Schottland, der 1547 auch mithilfe katholischer französischer Truppen bekämpft wurde. Knox wurde von den Franzosen fast zwei Jahre auf Galeeren gehalten. 1549 ging Knox nach England und wurde Kaplan des reformierten Königs. Nach dem Regierungsantritt Marys I., der Katholischen, floh Knox 1554 nach Genf zu Johannes Calvin. 1554/55 arbeitete er als Pfarrer in Frankfurt am Main, dann bis Frühjahr 1559 wieder in Genf als Pfarrer der englischen Flüchtlingsgemeinde. 1559 nach Schottland zurückgekehrt, wurde er Prediger an Saint Giles in Edinburgh. Ein Jahr später wurde vom Parlament das Schottische Bekenntnis angenommen, an dem Knox maßgeblich mitgewirkt hat. Er stand in jahrelangem Kampf mit Maria Stuart und wurde noch zweimal vertrieben.


Donnerstag, 25. November 2021


Vielleicht habe ich meine Zeitung wieder nicht aufmerksam gelesen, aber mir ist kein Artikel zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ aufgefallen. Gerade während des Lockdowns wurde mehrfach bewusst gemacht, wie sehr Frauen und Kinder immer noch der häuslichen (v.a. männlichen) Gewalt ausgeliefert sind.
Die Legende der Katharina von Alexandrien, eine der beliebtesten Heiligen, ist voll von Gewaltphantasien. Sie richten sich hier gegen eine besonders selbstbewusste und kluge Frau. Natürlich eine Königstochter. Katharina wird durch einen Eremiten, die in Ägypten zu dieser Zeit (um 300) besonders häufig vertreten gewesen sind, zum christlichen Glauben bekehrt.
Bei einer Christenverfolgung stellt Katharina das Vorgehen des Kaisers Maxentius in Frage. Es kommt zu einer öffentlichen Diskussion, bei der die Heilige 50 Philosophen durch ihre Argumente zum Christentum bekehrt. Deswegen sollte sie am Scheiterhaufen sterben. Im Kerker bekehrt sie die gebildete Gattin des Kaisers, Faustina, was ihre Geißelung und Nahrungsentzug zur Folge hat. Schließlich – ich kürze ab – sollte sie durch versetzte Räder zerrissen werden. Das wird durch einen Engel so vehement verhindert, dass 4000 „Heiden“ sterben müssen. Schließlich wird Katharina enthauptet, statt Blut fließt Milch aus ihren Wunden. Engel bringen ihren Leichnam auf den Sinai, wo Jahrhunderte später das dortige berühmte Kloster nach ihr benannt wird. Katharina zählt zu den vierzehn Nothelfern. Ihnen ist z.B. die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen bei Staffelstein geweiht.
Die Lektüre der Geschichte der bewundernswerten Katharina nimmt allerdings eine – mich erschreckende – Wende. Die Legende soll auf eine wahre Begebenheit zurückzuführen sein. Allerdings wird hier die  in Alexandria lehrende Mathematikerin, Astronomin und Philosophin Hypathia von fanatisierten Christen in einer Kirche (!) nackt mit Scherben zerstückelt und verbrannt. Im Hintergrund der Gewalttaten wirkte der „umstrittene“ Patriarch Kyrill von Alexandrien. Da dreht sich mir der Magen um und ich denke mir, das darf doch einfach nicht wahr sein. Leider kommt dieser Darstellung die größere historische Wahrscheinlichkeit zu als der Legende der Katharina.


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